Gespräch mit Prof. Dr. André Thess
Prof. Dr. André Thess, Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart, teilt in diesem Energiegespräch mit Prof. Dr. Eduard Heindl seine Expertise zu Energiewandlung, Energiespeicherung und den Herausforderungen der Energiewende. Mit seiner internationalen Erfahrung an renommierten Institutionen wie der Stanford University und der TU Dresden bietet er fundierte Einblicke in die Thermodynamik und innovative Speichertechnologien wie Carnot-Batterien. Das Gespräch beleuchtet zentrale Themen wie Wärmekraftmaschinen, CO2-Vermeidungskosten und die Rolle der Kernenergie.
Werdegang und Einstieg in die Energieforschung
André Thess, geboren 1964 in Sankt Petersburg, promovierte 1991 an der TU Dresden. Ursprünglich stand er vor der Wahl, in die theoretische Festkörperphysik oder die Kernforschung zu gehen. Er entschied sich für die Kernforschung in Rossendorf, wo er die Energietechnik kennenlernte, die sein Lebenswerk prägte. Seine internationalen Stationen in den USA, Japan und Frankreich erweiterten seinen Blick auf globale Energiesysteme. Heute forscht er an der Universität Stuttgart zu Energiespeicherung und Thermodynamik.
Wärmekraftmaschinen und Wirkungsgrad
Die heutige Energieproduktion ist stark von Wärmekraftmaschinen geprägt, wie Dampf- oder Gasturbinen, die fossile Brennstoffe nutzen. Thess erklärt, dass der Wirkungsgrad solcher Systeme durch die Temperaturdifferenz zwischen heißer und kalter Seite begrenzt ist, wie es Carnot 1824 beschrieb. Trotz Fortschritten in den letzten 200 Jahren stößt man an physikalische Grenzen. Kraftwerke nutzen oft Wasser oder Luft als Kältemedium, wobei die Abwärme in Flüsse oder die Atmosphäre geleitet wird. Herausforderungen wie in Frankreich, wo Sommerhitze die Kühlung einschränkt, zeigen die Bedeutung des Designs von Kraftwerken.
Carnot-Batterien: Die Zukunft der Energiespeicherung
Ein Schwerpunkt von Thess’ Forschung sind Carnot-Batterien, die Strom mittels Wärmepumpen in Wärme umwandeln, speichern und bei Bedarf wieder in Strom zurückverwandeln. Diese Systeme könnten Terawattstunden speichern, was für Industrienationen wie Deutschland entscheidend ist. Thess beschreibt den Einsatz von flüssigen Salzen, die von 250 auf 500 Grad erhitzt werden, und hebt hervor, dass solche Speicher flexibel sind und gleichzeitig Wärme für industrielle Prozesse liefern können. Der Wirkungsgrad liegt derzeit bei 30–50 %, mit Zielwerten bis 70 % bei sinkenden Kosten.
Kernenergie: Emotionen versus Fakten
Thess betont, dass die Kernenergie in Deutschland emotional aufgeladen diskutiert wird, obwohl wissenschaftliche Daten zeigen, dass sie sicherer ist als Kohlekraft. Eine Terawattstunde Strom aus Kohle verursacht 25 Todesfälle, während Kernenergie, Wind und Sonne nur 0,1 Todesfälle verursachen. Er kritisiert die unzureichende Berichterstattung öffentlich-rechtlicher Medien und die selektive Wahrnehmung von IPCC-Berichten, die Kernenergie als klimafreundlich ausweisen. Thess plädiert für eine faktenbasierte Diskussion und Technologieneutralität.
CO2-Vermeidungskosten und Klimaschutz
Ein zentrales Thema sind die CO2-Vermeidungskosten, die die Effizienz von Klimaschutzmaßnahmen messen. Beispielsweise kostet die Modernisierung eines indischen Kohlekraftwerks 50 Euro pro eingesparter Tonne CO2, ein deutsches Elektroauto jedoch 500 Euro. Kernkraftwerke liegen bei 100–200 Euro pro Tonne, was sie effizient macht. Thess schlägt vor, CO2-Preise global zu erhöhen, um Technologien wie Solar, Wind und Kernenergie wirtschaftlich attraktiver zu machen.
Kulinarische Thermodynamik: Wissenschaft trifft Alltag
Neben seiner Forschung begeistert Thess Studenten mit seiner Vorlesung „Kulinarische Thermodynamik“. Hier verbindet er physikalische Prinzipien mit Kochen, etwa durch die Analyse von Wärmeübertragung in Bratpfannen. Ziel ist es, Thermodynamik greifbar zu machen und Studierende zu motivieren, selbst zu kochen. Die Vorlesung ist beliebt und zeigt, wie Wissenschaft den Alltag bereichern kann.
Ausblick: Energiewelt 2100
Thess wagt eine vorsichtige Prognose für 2100: Fossile Energien werden durch Innovationen in Wind, Sonne, Kernenergie und Geothermie zurückgedrängt, nicht durch Verbote, sondern durch günstigere Alternativen. Er vergleicht dies mit dem Ende der Steinzeit, die nicht durch fehlende Steine, sondern durch bessere Technologien endete. Sein „erster Hauptsatz der Energiepolitik“ lautet: Die Zukunft wird anders sein, als wir sie uns heute vorstellen.
Sie finden alle Videos unter https://energiespeicher.blogspot.com/p/energiegesprache-mit-eduard-heindl.html
Stichworte: Energiespeicherung, Carnot-Batterien, Kernenergie, CO2-Vermeidungskosten, Thermodynamik
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