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Samstag, 25. Januar 2025

Mario Liebensteiner im Energiegespräch

Prof. Dr. Mario Liebensteiner im Energiegespräch

Das vollständige Gespräch mit Prof. Dr. Mario Liebensteiner finden sie bei YouTube

1. Einleitung: Höhere Strompreise und neue Herausforderungen

Das zentrale Ergebnis des Gesprächs zwischen Prof. Heindl und Prof. Dr. Mario Liebensteiner lautet: In den kommenden Jahren bis 2030 dürfte der Strompreis in Deutschland und Europa voraussichtlich deutlich höher liegen als vor der Energiekrise – etwa um den Faktor drei. Zusätzlich wird die Preisdynamik zunehmen, was zu einer stärkeren Volatilität führt. Dahinter stehen mehrere Ursachen:

  1. Wegfall günstiger Kraftwerke
    Nach dem Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland und den geplanten Stilllegungen von Kohlekraftwerken entfällt ein Teil grundlastfähiger, verhältnismäßig preisgünstiger Stromerzeugung.
  2. Steigende Brennstoff- und CO₂-Kosten
    Die Kosten für Gasimporte sind nach der Abkehr von russischem Pipeline-Gas tendenziell höher, und die CO₂-Preise im europäischen Emissionshandel (EU ETS) dürften weiter anziehen.
  3. Zunahme wetterabhängiger Erzeugung
    Der Anteil von Wind- und Solarstrom steigt stark, was bei gleichzeitig fehlendem adäquatem Netzausbau zu kräftigen Preisschwankungen führen kann.

Liebensteiner betont, dass insbesondere die Volatilität des Börsenstrompreises – also starke Schwankungen zwischen sehr niedrigen (teilweise sogar negativen) und sehr hohen Werten – in Zukunft noch ausgeprägter sein werde. Für Unternehmen wie auch für Privathaushalte werde das größere Flexibilität bedeuten: Wer zum Beispiel Lasten verschieben kann oder eigene Speicherkapazitäten besitzt, wird Vorteile haben.


2. Marktmechanismen: Merit-Order, Börsenpreis und negative Preise

Ein zentrales Thema des Gesprächs ist das „Merit-Order“-Prinzip, das im öffentlichen Diskurs häufig kritisiert wird. Prof. Liebensteiner stellt jedoch klar, dass dies ein normales marktwirtschaftliches Verfahren ist, bei dem das zuletzt noch benötigte Kraftwerk mit den höchsten Grenzkosten den allgemeinen Börsenpreis setzt. Die wichtigsten Punkte:

  • Merit-Order als Standard
    Ob Weizen oder Strom: In allen börslichen Märkten wird nach dem Grundsatz „von billig zu teuer“ angeboten. Das letzte, zur Bedarfsdeckung herangezogene Angebot bestimmt den Preis für alle Anbieter, was keinesfalls eine Strommarkt-Spezialität, sondern ein generelles Marktprinzip ist.

  • Erneuerbare als Grenzkosten-Null-Technologien
    Wind- und PV-Anlagen haben sehr geringe laufende Brennstoffkosten (die „Sonne schickt keine Rechnung“). Sie bieten daher zu niedrigen Preisen an und drücken so häufig das Strompreisniveau. Allerdings ist ihre Verfügbarkeit wetterabhängig – fehlt Wind oder Sonne, steigen die Preise, weil dann teure Reservekraftwerke (häufig Gaskraftwerke) zum Einsatz kommen.

  • Negative Preise
    Negative Strompreise entstehen zu Zeiten eines Überangebots, etwa wenn extrem viel Strom aus Wind- oder Solaranlagen produziert wird, während die Nachfrage gering ist und einige Kraftwerke (etwa Kohleblöcke) aus technischen Gründen nicht schnell heruntergefahren werden können. Dann erhalten Abnehmer Geld dafür, dass sie den Strom abnehmen. Allerdings profitieren davon in der Praxis weniger Haushalte als vielmehr Akteure im Großhandelsmarkt.

  • Volatilität durch fluktuierende Erzeugung
    Weil erneuerbare Energien kein Grundlastverhalten aufweisen, entstehen stark schwankende Preise – an windstarken Tagen mit geringem Bedarf tendieren die Börsenpreise nach unten, während sie in wind- und sonnenarmen Zeiten hochschnellen können.


3. Netzausbau, Kapazitätsmärkte und das Problem der Versorgungssicherheit

Wenn Kohle- und Kernkraftwerke vom Netz gehen und Gaskraftwerke oft nur wenige Stunden im Jahr laufen sollen, um Spitzenlasten auszugleichen, stellt sich die Frage nach Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit. Wesentliche Punkte:

  • Netzengpässe und Redispatch
    Obwohl viel Strom aus dem windreichen Norden stammt, fehlen ausreichende Leitungen in den verbrauchsstarken Süden. Bei Überlastung müssen Windanlagen abgeregelt werden („Abregelung“), während man im Süden Kohlestrom anwirft. Das führt zu paradoxen Situationen, in denen trotz Überangebots im Norden teure und emissionsintensive Kraftwerke im Süden laufen. Ein grundsätzlicher Umbau des Marktdesigns in verschiedene Preiszonen wäre denkbar, ist politisch aber umstritten.

  • Kapazitätsmarkt vs. Energy-Only-Markt
    Gegenwärtig herrscht der „Energy-Only-Markt“: Ein Kraftwerksbetreiber verdient nur dann Geld, wenn er Strom produziert und verkauft. Gaskraftwerke, die nur wenige Tage oder Stunden laufen, müssten bei hohen Börsenpreisen ihre gesamten Fixkosten decken können, damit sich die Investition lohnt. Das würde extrem schwankende – bisweilen sehr hohe – Preise bedeuten. Aus politischen Gründen könnte ein „Kapazitätsmarkt“ eingeführt werden, bei dem Stromerzeuger eine Prämie allein für das Bereithalten (die Kapazität) erhalten. Dies verringert Preisextreme, ist aber weniger markteffizient und verursacht zusätzliche Kosten.

  • Stromausfallrisiko und Versicherungsmodelle
    In der Diskussion wurde auch erörtert, ob man den Blackout über Versicherungsmodelle in private Verantwortung legen könnte. Derzeit lösen jedoch staatliche Netzbetreiber und Regulierung diese Aufgabe. Für Großverbraucher wie Aluminiumwerke existieren bereits Entschädigungsmodelle, wenn sie den Verbrauch bei Engpässen drosseln („Demand-Side-Management“).


4. Klimapolitik, CO₂-Bepreisung und internationale Wechselwirkungen

Das Gespräch widmete sich außerdem der europäischen Klimapolitik: Ob CO₂-Handel oder CO₂-Steuer, ob Subventionen für erneuerbare Energien oder Effekte des sogenannten grünen Paradoxons – das Zusammenspiel von Markt und Regulierung ist hochkomplex.

  • EU-Emissionshandel und „Wasserbetteffekt“
    Innerhalb des EU-ETS (Emissionshandelssystems) existiert ein oberes Limit (Cap) für die Gesamtmenge an Emissionen. Wer CO₂ verursacht, muss ein Zertifikat erwerben. Gleichzeitig führt jede zusätzliche freiwillige Emissionsminderung in einem Land nur bedingt zu einer Minderung auf EU-Ebene, da die frei werdenden Emissionszertifikate in anderen Sektoren oder Ländern genutzt werden können (Wasserbetteffekt). Freiwilliger Klimaschutz in Deutschland hat also innerhalb des EU-ETS nur begrenzte Wirkung.

  • Grünes Paradoxon nach H.-W. Sinn
    Global betrachtet kann ein sinkender Verbrauch in Europa den Ölpreis senken und damit die Ölnachfrage in anderen Weltregionen erhöhen, wenn das Angebot sich nicht entsprechend verringert. Dieses Phänomen spricht dafür, dass nationale Alleingänge wenig globale CO₂-Einsparungen bewirken, solange kein weltweit koordinierter Emissionspfad existiert.

  • Kostendegression bei Solartechnik
    Ein positiver Effekt des deutschen EEG-Systems war allerdings, dass die internationale Photovoltaik-Herstellung stark skaliert und die Preise für Solarzellen drastisch gesunken sind. Damit wird diese Technologie für Schwellen- und Entwicklungsländer erschwinglich. Allerdings ist unklar, ob und in welchem Ausmaß das allein die globale Energiewende beschleunigt, solange fossile Energieträger weiter verfügbar und preisgünstig sind.

  • Rolle der Kernenergie
    Während Deutschland aus der Kernenergie ausgestiegen ist, setzen Nachbarstaaten wie Frankreich oder Polen auf Neu- oder Ausbau von Atomkraftwerken. Auf dem europäischen Strommarkt könnte das den Börsenstrompreis tendenziell senken. Deutschland profitiert dann als Stromimporteur von preiswertem Atomstrom, ohne die Risiken der eigenen Kernkraftnutzung zu tragen. Langfristig jedoch bleibt die Frage der Endlagerung und der Akzeptanz bestehen.


5. Perspektiven: Vom Smart Meter bis zur zukünftigen Preisgestaltung

Smart Meter und flexible Tarife
Eine wesentliche Diskussion betrifft die Frage, wie Endkunden – insbesondere Haushalte – durch Preissignale zu einem zeitlich angepassten Stromverbrauch animiert werden können. Mit Smart Metern und dynamischen Tarifen könnte man Spitzenlasten glätten und mittags bei hoher Solarproduktion günstigen Strom verbrauchen, während abends oder an windstillen Tagen höhere Preise gelten. Dazu ist eine Anpassung der Netzentgelte nötig, denn derzeit machen Steuern, Abgaben und Fixkosten den größeren Teil des Strompreises aus, während die rein marktbasierten Energiekosten oft nur ein Viertel oder ein Drittel ausmachen.

Zunehmende Bedeutung von Speicher und Eigenversorgung
Um in Zeiten negativer oder sehr niedriger Preise Strom aufzunehmen und ihn bei hohen Preisen abzugeben, könnten Speicher – von Batteriespeichern bis zu potenziellen Wasserstoffanlagen – wirtschaftlich interessanter werden. Darüber hinaus besteht weiterhin Handlungsbedarf beim Netzausbau, um Transportengpässe zu beheben, sowie in der europäischen Koordination, damit grenzüberschreitende Lieferungen effizienter ablaufen.

Fazit
Das Gespräch zwischen Prof. Heindl und Prof. Dr. Liebensteiner verdeutlicht, wie stark die Energiewelt bereits im Umbruch ist. Obwohl erneuerbare Energien auf dem Vormarsch sind, wird der Durchschnittsstrompreis absehbar steigen, da flexibel einsetzbare Kraftwerke – vor allem Gas- oder später wasserstoffbetriebene Anlagen – die Versorgungssicherheit gewährleisten müssen. Die politischen Diskussionen bewegen sich zwischen Marktlösungen und staatlicher Regulierung, etwa über Kapazitätsmärkte und Subventionen. Für Verbraucher wie Industrie ist eine steigende Preisdynamik zu erwarten, die nicht nur Anpassungsdruck, sondern auch Chancen für innovative Geschäftsmodelle und Technologien schafft. Mittel- bis langfristig bleibt der Ausbau der erneuerbaren Energien, kombiniert mit Flexibilität und Speichertechnologien, der Schlüssel für eine bezahlbare und nachhaltige Stromversorgung – nur wird dies teurer und komplizierter, als noch vor wenigen Jahren angenommen.

Die vollständige Liste aller Energiegespräche finden Sie hier: https://energiespeicher.blogspot.com/p/energiegesprache-mit-eduard-heindl.html


Freitag, 12. Mai 2017

Energy Storage World Forum Konferenzbericht

Trends bei Energiespeicher 2017 

In Berlin fand von 10. bis 11. Mai das 10. ESWF statt. Ich habe den Teil zum Thema Großspeicher besucht und eigentlich erwartet, auch einige neue Ansätze zu Pumpspeicher und andere Technologien zu erfahren. Das war eher nicht der Fall, es ging hauptsächlich um Batterien.
Abschlusspräsentation auf dem ESWF, der Frauenanteil war nicht immer so hoch.

Was ist ein Energiespeicher

Das Problem liegt wohl eher darin, dass unter Energiespeicher jeder etwas anderes versteht. Aktuell scheint es so, dass im Markt für Großspeicher im wesentlichen Speicher beschrieben werden, die große Leistung für kurze Zeit liefern können. Das sind wichtige Systeme in einer Welt, in der die klassischen thermischen Kraftwerke langsam von Solar- und Windkraftwerken ersetzt werden.
Sehr unterschiedliche Speicher: Strom, Lebensmittel, Daten, und sehr unterschiedliche Reichweiten, aus dem Vortrag von  Julian Jansen, IHS Markit

Regelenergie

Um das Problem genauer zu verstehen, muss man wissen, dass ein normales Kohlekraftwerk nicht bei voller Leistung läuft, sondern für kurzzeitige Schwankungen immer noch eine gewisse Leistungsreserve (~10%) vorhält. Kommt es jetzt zu einem zusätzlichen Bedarf, weil gerade eine große Maschine eingeschaltet wird, muss einfach die Leistung etwas hochgeregelt werden. 
Bei einer Solarzelle oder auch bei einem Windkraftwerk geht das nicht, diese werden normalerweise hundert Prozent der Leistung an das Netz abgeben, obwohl theoretisch auch weniger möglich wären, was aber offensichtlich eine Verschwendung wäre.
Einsatzgebiete von großen Batterien zur Netzstabilisierung, Quelle: eon

Um diese Regelleistung ohne den Aufwand eines herunter geregeltem Kohle-, Erdgas- oder sonstigen thermischen Kraftwerks zu managen, scheinen Batterien zusammen mit leistungsfähiger Elektronik einen guten Dienst zu tun.  

Typisch an diesen Systemen ist, dass sie nur sehr kurz Energie liefern können, typische Werte liegen unter einer Stunde.

Speicherbedarf für große Energiemengen, Dunkelflaute

Eine der spannendsten Fragen in der Speicherbranche ist der Bedarf an Speicher für große Energiemengen, also nicht um kurzzeitig das Netz zu stabilisieren, sondern um etwa elektrische Energie vom Tag aus Solarenergie in die Nacht zu verschieben.

Hier war ein Vortrag von Dr. Björn Peters interessant, der für Deutschland die Situation mit 100% Wind und Solarenergie berechnet hat. Sind 120 GW PV und 120 GW Wind installiert, so genügt dies langfristig theoretisch, um den Strombedarf zu decken. Allerdings müssen ausreichend Speicher zur Verfügung stehen. In dem Modell wurde ein perfekter Speicher mit 100% Wirkungsgrad angenommen (Reale Speicher liegen eher bei 80 %, aber die Differenz ist nicht entscheidend).

Die Überraschung ist, dass für die Phasen ohne Wind und Sonne, sogenannte Dunkelflaute, massive Speicherkapazitäten nötig sind. So wäre zur Überbrückung der Dunkelflaute im Herbst 2016 etwa 80.000 GWh Speicherkapazität erforderlich gewesen. Bedenkt man, dass nur 40 GWh in Deutschland verfügbar sind, wird das Problem offensichtlich.
Die Dunkelflaute, der gefährliche Elefant, wie er in der Zeitschrift Sonne Wind & Wärme dargestellt wird.

Vermutlich können solche Phasen nur mit thermischen Reservekraftwerken, ob dies nun Blockheizkraftwerke oder Gasturbinen sind, überbrückt werden.

Alternativ könnte man Stromleitungen nach Afrika oder Sibirien legen, die insgesamt 8.000 km lang wären und eine Leitungskapazität von mindestens 50 GW benötigen, leider, im aktuellen politischen Umfeld, eher schwierig umzusetzen.

Wachstum des Speichermarkts

Sicher werden die extremen Speicher nicht so schnell kommen, aber das Wachstum der Speicher ist größer als das Wachstum der PV und Wind Märkte, da an vielen Orten das Netz langsam an die Grenzen seiner Steuerfähigkeit kommt. 

Speicherbedarf im UK erreicht 15 GW innerhalb von 15 Jahren

In mehreren Vorträgen wurden Folien aufgelegt, die den Speicherbedarf, zumeist aufgeschlüsselt nach Hausbatterien ("behind the meter") und anderen Batterien im Netz, analysierten. Zumeist wird hier nicht von Speicherkapazitäten, sondern von Leistungen gesprochen, da es noch um die Stabilisierung des Netzes geht. 
Gegenüber heute ist ein Faktor 10 bis 100 innerhalb von 15 Jahren zu finden.
Der größte Energie Speichermarkt ist wohl in 2017 in Südkorea! (Quelle: Jansen, IHS Markit)

Warum besuche ich solche Konferenzen?

Am Ende der Konferenz hat man immer das Gefühl, die Aussagen schon ein dutzend Mal gehört zu haben. Allerdings ist auch interessant, was fehlt, niemand hat mehr vom Power to Gas gesprochen und Wasserstoff ist ebenfalls nicht vorgekommen. 
Sehr gefreut hat mich, dass der Moderator meine Speichertechnologie, Gravity Storage, als mögliche Lösung für Großspeicher erwähnt hat. 
Ein weiterer wichtiger Punkt sind immer die Gespräche in der Kaffeepause, man erfährt viel über Märkte und kann seine Kontakte gut pflegen.

Bis zur nächsten Konferenz, weitere Konferenzberichte finden sich unter:

Samstag, 10. November 2012

Kapazitätsmärkte, wozu?

Die Idee der Kapazitätsmärkte

Im Zusammenhang mit der Umstellung der Energieversorgung wird häufig eingeworfen, wir brauchen dringend Kapazitätsmärkte. Es geht um die Frage, "wann gehen die Lichter aus", wenn wir weiter erneuerbare Energien installieren. Zunächst erscheint es ja sehr merkwürdig, dass durch zusätzliche Kraftwerke die Gefahr eines Stromausfalls steigen soll. In erster Näherung stimmt das natürlich nicht, denn je mehr Kraftwerke, um so mehr Versorgungssicherheit. Allerdings ist die Sache etwas komplizierter

Der Strommarkt

Abbildung 1: Die Merit-Order Kurve, Je größer die Nachfrage, um so höher der Preis.
 Doch irgendwann kann die  Nachfrage die Kapazität übertreffen, dann kommt es zu einem Stromausfall.
In Deutschland gibt es einen Strommarkt [1], der nach dem Prinzip Merit-Order funktioniert. Das bedeutet, alle Kraftwerke werden nach den Grenzkostenpreis sortiert. Grenzkosten, das ist der Preis für Strom der zwischen abgeschalteten Kraftwerk und eingeschaltetem Kraftwerk liegt. Etwa bei einem Kohlekraftwerk der Kohlepreis pro Kilowattstunde. Bei einer Solarzelle liegt der Preis praktisch bei Null. Am höchsten ist der Preis bei Gas und Ölkraftwerken, in der Abbildung 1 ganz rechts. Je nach Nachfrage wird dann für alle Teilnehmer der gleiche Marktpreis bestimmt. Das Problem ist aber, der Verbraucher merkt davon nichts, der Strom ist immer gleich teuer. Die Folge ist, die Nachfragekurve wirkt nicht.

Nachfrage

Abbildung 2. Die Nachfragekurve, je höher der Preis, um so geringer wird die Nachfrage.
Ein funktionierender Markt arbeitet mit der Nachfragekurve, Abbildung 2, das bedeutet, je niedriger der Preis, um so höher die Nachfrage. Hohe Preise reduzieren die Nachfrage. Da im Strommarkt praktisch kein Kunde den aktuellen Börsenpreis zahlen muss, entsteht ein Problem. Selbst wenn der Preis an der Strombörse stark ansteigt, wird keiner seine Klimaanlage oder Aluminiumschmelze etwas herunterfahren, da er kein Marktsignal empfängt.
Damit ist aber die Gefahr vorhanden, dass plötzlich mehr Strom verbraucht wird, als Kapazität vorhanden ist, insbesondere, wenn bestimmte Kapazitäten, wie Wind und Sonne, nicht verfügbar sind. Dies führt zu einem Stromausfall, den keiner will.

Lösungsmöglichkeiten

Die einfachste Lösung ist, der Staat schreibt vor, wie viele Kraftwerke vorhanden sein müssen und zahlt dafür einen festen Betrag, das ist ein sogenannter Kapazitätsmarkt. Diese Lösung ist für Stromkonzerne sehr attraktiv, da diese immer noch riesige Kraftwerke besitzen, die aufgrund der Solar- und Windkraftwerke immer häufiger abgeschaltet bleiben und damit keine Einnahmen erwirtschaften. 
Nachteil dieser Lösung ist, dass der Staat immer sehr schlecht ist den Bedarf richtig zu ermitteln, wir erinnern uns an Milchseen in der EU und an die Autoproduktion in der DDR. Der Grund liegt zumeist an Interessen, so wird die lobbystarke Stromwirtschaft eher etwas zu viel Kapazitätsbedarf prognostizieren.

Alternative: Echter Markt

Das wichtigste ist, dass in einem Markt der Käufer die tatsächlichen Kosten zahlt, in diesem Fall den Preis des Stroms wie er gerade an der Börse gehandelt wird. Daher wären flexible Stromtarife, die den aktuellen Marktpreis einrechnen sinnvoll. An vielen Stellen könnte dann der Strombedarf etwas gesenkt werden, wenn die Produktion wirklich an die Kapazitätsgrenze kommt. Das wird auch in Zukunft eher selten sein, aber im Grenzfall sehr wirksam und zudem ein guter Schutz gegen Stromausfälle [2].

Versicherungslösung

Eine weitere Lösung wäre eine Art Versicherung gegen Stromausfall. Schon heute gibt es viele Dienstleistungen, die nicht 100% funktionieren, so steht im Vertrag der Telekom nur eine 97% Verfügbarkeit, wer mehr will zahlt etwas mehr. Kunden die eine hohe Verfügbarkeit benötigen zahlen dann etwas mehr, vielleicht 5%, und haben dann 99,9% Liefersicherheit für Strom. Diese Versicherungen würden sehr schnell beginnen, Speicher für Strom anzulegen, da es jetzt sehr lohnend ist, immer Strom zu liefern.

Staat oder Markt

Ich will kein abschließendes Urteil abgeben, aber meine Erfahrung ist bisher immer gewesen, dass der Staat oder eine Regulierungsbehörde nicht besonders gut den Bedarf eingeschätzt haben. So hat etwa die Bundes-Post Anfang der 1990er Jahre den Handybedarf auf 100.000 Handys in Deutschland eingeschätzt. Welche ein Irrtum.
Die Vorhersagen für Solarenergie und Windkraft sind vergleichbar schlecht, wie die Diskussion um die Sätze des EEG zeigen. Ich hoffe, bei der Weiterentwicklung des Stromnetzes wird mehr auf Markt als auf Plan gesetzt.

Eine weitere Alternative ist ein linearer Strommarkt.
Merkwürdig sind die paradoxen Marktsignale.
  
Quellen:
[1] Tietjen, Oliver, Kapazitätsmärkte, Germanwatch, April 2012
[2] Siegmeier, Jan, Kapazitätsinstrumente in einem von erneuerbaren Energien geprägten Stromsystem, Electricity Markets Working Papers WP-EM-45, Juli 2011