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Samstag, 19. Juli 2025

Michael Laar

 Prof. Dr. Michael Laar: Architektur als Hebel für eine nachhaltige Zukunft

Das vollständige Gespräch mit Prof. Dr. Michael Laar auf YouTube.


Nachhaltige Architektur beginnt mit Systemdenken

Prof. Dr. Michael Laar, Architekt und Professor für „Healthy and Sustainable Buildings“ am European Campus Rottal-Inn, beschreibt seinen Zugang zu Architektur als interdisziplinär und systemisch. Nachhaltigkeit beschränkt sich für ihn nicht nur auf Energieeffizienz, sondern bezieht Gesundheit, soziale Gerechtigkeit, Raumqualität und zirkuläres Wirtschaften mit ein. Er betont, dass Bauwerke Lebensräume sind, die in Wechselwirkung mit Mensch, Umwelt und Technik stehen.

In seinem Studium der Architektur in München und der Promotion an der Bauhaus-Universität Weimar habe er den Blick für diese größeren Zusammenhänge geschärft. Internationale Anerkennung fand er durch innovative Projekte in Brasilien, etwa eine emissionsfreie Schule in Rio de Janeiro, die energieautark betrieben werden kann.


Gebäude als Teil einer resilienten Gesellschaft

Laar sieht Gebäude nicht als technische Maschinen, sondern als Teil eines ökologischen Systems. Der Mensch steht dabei im Zentrum. Seine Projekte verfolgen das Ziel, Gebäude an den lokalen Kontext anzupassen: klimatisch, kulturell und sozial. Ein Beispiel ist sein Schulprojekt in Brasilien, das natürliche Ventilation und thermische Trägheit nutzt – ganz ohne konventionelle Klimaanlagen.

Für Mitteleuropa hebt er die Bedeutung robuster, reparierbarer Bausubstanz hervor. „Ein guter Altbau kann 200 Jahre genutzt werden“, sagt Laar. Die Langlebigkeit sei oft nachhaltiger als ein hochtechnisierter Neubau, der nach wenigen Jahrzehnten unbrauchbar werde. Wichtig sei dabei die nutzerzentrierte Gestaltung – einfache Bedienbarkeit, natürliche Materialien, sinnvolle Lichtführung.


Zirkularität und Suffizienz: Weniger ist mehr

Ein zentrales Thema des Gesprächs ist die Idee der zirkulären Architektur. Dabei geht es darum, Materialien wiederverwendbar, rückbaubar und möglichst sortenrein einzusetzen. Laar warnt vor einem „Rebound-Effekt“ der grünen Architektur: Ein energieeffizienter Bau darf nicht dazu führen, dass mehr oder größere Gebäude gebaut werden – die Nachhaltigkeit geht dabei verloren. Stattdessen plädiert er für Suffizienz: weniger Fläche, smartere Nutzung, Reduktion auf das Wesentliche.

Ein Zukunftsmodell sei das „Bauen mit dem, was da ist“ – also Bestandsumbauten statt Abriss und Neubau. Besonders in Städten müsse das Denken in Kreisläufen zur Norm werden: urban mining, modulare Bauteile, langlebige Grundrisse.


Bildung und interdisziplinäre Zusammenarbeit als Schlüssel

Seit 2019 leitet Laar den Masterstudiengang „Healthy and Sustainable Buildings“ in Pfarrkirchen. Er berichtet von Studierenden aus aller Welt, die sich mit großem Engagement für nachhaltiges Bauen einsetzen. Die Ausbildung ist stark interdisziplinär: Architektur, Technik, Gesundheitswissenschaften und Gesellschaftstheorie fließen zusammen.

Laar sieht großen Aufklärungsbedarf in der Bevölkerung – etwa in Bezug auf vermeintlich „grüne“ Technologien. Eine Wärmepumpe z. B. sei nur so gut wie die bauliche Hülle, in der sie arbeitet. Auch bei der Photovoltaik sei das große Potenzial erst ausgeschöpft, wenn Dächer, Fassaden und Speicher intelligent integriert würden.


Vision: Architektur als Teil einer regenerativen Kultur

Zum Abschluss formuliert Laar eine weitreichende Vision: Architektur soll nicht nur weniger schaden, sondern aktiv Gutes tun – für Umwelt und Gesellschaft. Er spricht von „regenerativer Architektur“, die Biodiversität fördert, Luftqualität verbessert, Gemeinschaft stärkt. Das Gebäude der Zukunft ist für ihn ein „atmender Organismus“, verankert im lokalen Kontext, offen für Anpassung, sozial gerecht und kulturell verankert.

Er sieht dabei auch die Architekten in der Pflicht: Sie müssten sich als Vermittler verstehen – zwischen Technik, Gesellschaft und Natur. Mit kreativer Gestaltung, Verantwortung und Empathie könnten sie den Wandel mitgestalten.


Sie finden alle Videos unter:
https://energiespeicher.blogspot.com/p/energiegesprache-mit-eduard-heindl.html

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