Prof. Dr. Stephanie Fiedler im Energiegespräch über Aerosole
1. Einleitung und Hintergründe
In diesem Gespräch treffen wir auf Professor Dr. Stefanie Fiedler, eine Meteorologin mit beeindruckender Laufbahn: PhD in Leeds (Großbritannien), Stationen am Max-Planck-Institut (MPI) für Meteorologie in Hamburg und seit 2023 Leiterin der Abteilung Maritime Meteorologie am GEOMAR – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Zudem ist sie seit November 2024 Kodirektorin am Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg. Das Gespräch dreht sich in weiten Teilen um Aerosole in der Atmosphäre, ihre verschiedenen Quellen und ihre Rolle im Klimasystem. Ferner geht es um die Wechselwirkung zwischen Land, Meer, Wetter und Klima – insbesondere im Hinblick auf Staubemissionen aus Wüsten.
Ein wichtiger Aspekt ist dabei, wie Aerosole und Klimaschutzmaßnahmen (z. B. Schwefelreduktion in Schiffsabgasen) zusammenhängen und welche Auswirkungen sie auf regionale und globale Skalen haben. Den roten Faden bildet die Frage, was die Forschung an Bord eines Forschungsschiffs im tropischen Atlantik an neuen Erkenntnissen über Aerosole und Klima bringen kann.
2. Was sind Aerosole und warum sind sie so wichtig?
Aerosole sind feinste Teilchen in der Luft, die entweder natürlich (z. B. Wüstenstaub, Seesalz, Pollen, Vulkanausbrüche) oder anthropogen (z. B. Rußpartikel aus Verbrennungsmotoren, Schwefeldioxid aus Kraftwerken) entstehen. Oft sind sie unsichtbar, können aber unter bestimmten Bedingungen als Dunst, Nebel oder Feinstaub erkennbar sein.
-
Vielfältige Zusammensetzung
Von mineralischen Partikeln (z. B. Quarzstaub) über Seesalz bis zu Ruß oder Pollen: Aerosole variieren stark in ihrer Größe und chemischen Struktur. Manche bilden sich aus gasförmigen Vorläuferstoffen erst in der Luft (z. B. Schwefeldioxid, das zu Sulfatpartikeln reagiert). -
Klimatische Wirkung
Aerosole reflektieren oder absorbieren kurzwellige Sonnenstrahlung. Feine Sulfatpartikel streuen beispielsweise einfallendes Licht und kühlen die bodennahe Atmosphäre. Rußpartikel hingegen absorbieren Strahlung und können bestimmte Luftschichten aufheizen. Insgesamt führen Aerosole – vor allem anthropogene Feinstäube – tendenziell zu einer Abkühlung und „maskieren“ somit regional betrachtet Teile der treibhausgasbedingten Erwärmung. -
Einfluss auf Wolkenbildung
Wolkentropfen benötigen Kondensationskeime, also Aerosolpartikel, an denen sich Wasser anlagert. Eine höhere Partikelzahl kann zu mehr, aber kleineren Tröpfchen führen; das erhöht die Wolkenhelligkeit (Albedo) und verstärkt die reflektierte Strahlungsleistung. -
Gesundheitsaspekt
Feinstaub ist eine ernste Belastung für die Atemwege und das Herz-Kreislauf-System. Sowohl in Großstädten als auch in ländlichen Regionen (z. B. Holzverbrennung) kann die Luftqualität stark abnehmen.
3. Wüstenstaub als Düngemittel und Klimafaktor
Ein Kernaspekt des Gesprächs sind Wüstenstaub-Ereignisse, insbesondere aus der Sahara:
-
Transport über Ozeane
Wüstenstaub kann dank stabiler Luftströmungen („Saharan Air Layer“) über tausende Kilometer verfrachtet werden – etwa von Afrika bis nach Südamerika. Charakteristisch sind dabei größere Staubausbrüche im Frühjahr, die man z. B. als rötlichen Belag auf Autos in Südeuropa bemerkt. -
Düngereffekt und Wechselwirkung mit marinen Ökosystemen
Staubpartikel enthalten Mineralien, die im Ozean als Nährstoffe fungieren. Dadurch können sie Algenwachstum (Planktonblüten) fördern, was wiederum den Kohlenstoffkreislauf beeinflusst. Manche Regionen sind „eisenarm“, sodass Staub mit Eisenanteilen ein wichtiger Trigger für verstärkten Pflanzenwuchs ist. -
Unklare Zukunft
Wie sich Wüstenstaub-Emissionen bei fortschreitendem Klimawandel verändern, ist wissenschaftlich bislang nicht abschließend geklärt. Klimamodelle mit grobem Gitter (z. B. 100 km Auflösung) erfassen mesoskalige Phänomene wie Wüstenstürme nicht detailgenau. Ob Dürren und sich verändernde Vegetationszonen zu mehr oder weniger Staubtransport führen, bleibt Gegenstand intensiver Forschung.
4. Forschung auf hoher See: Die bevorstehende Expedition
Professor Fiedler und ihr Team planen eine ausgedehnte Schiffsexpedition im tropischen Atlantik (Januar bis März), um die Dynamik und Zusammensetzung von Aerosolen zu untersuchen.
-
Ziele und Routen
- Start in Brasilien, dann Querung der tropischen Konvergenzzone (ITCZ), wo Nord- und Südpassate zusammenströmen und häufig Niederschläge auftreten.
- Entlang der Westafrika-Küste bis hoch zu den Kapverdischen Inseln. Dort findet ein Teamwechsel statt, ehe die Reise weiter in eine aufquellende Ozeanregion nahe der Küste Westafrikas führt.
-
Methoden
An Bord kommen verschiedene Messinstrumente zum Einsatz:- Partikelsammler: zur Bestimmung von Größe, Form und chemischer Zusammensetzung der Aerosole (z. B. anhand von Klebefolien oder Filtern).
- Fernerkundung: Lidar- oder Ceilometer-Systeme, die Laserpulse aussenden und aus dem Rückstreusignal die vertikale Struktur der Staubschichten ableiten.
- Ballons (Radiosonden): klassisch meteorologische Datenerfassung (Temperatur, Feuchte, Wind) bis in größere Höhen, gleichzeitig Validierung der Fernerkundungsdaten.
-
Warum so aufwendig?
Über Satelliten erhält man zwar globale Bilder, doch Wolken verdecken oft die Aerosole darunter. Außerdem müssen aus den reinen Strahlungsmessungen erst mithilfe von Modellannahmen Rückschlüsse auf Partikelkonzentration, -art und -höhe gezogen werden. Die direkte, boden- oder schiffsgestützte Messung in Kombination mit Ballon- und Fernerkundungsdaten liefert somit „Ground Truth“ – unverzichtbar für die Weiterentwicklung von Klimamodellen und Wettervorhersagen.
5. Klimawandel, Modelle und Ausblick
Die Gesprächspartner erörtern abschließend, wie sich die Forschungsergebnisse in das große Ganze des Klimawandels und der Energieversorgung einfügen.
-
Kurzlebige Klimafaktoren und Maskierung der Erwärmung
Anthropogene Aerosole wirken zwar kühlend, sind aber gesundheitsschädlich und gelten als „vorübergehender“ Effekt: Der Ausstoß dieser Partikel sinkt in vielen Regionen (z. B. China), weil saubere Luft angestrebt wird. Man rechnet damit, dass dieser „Schirm“ künftig dünner wird, sodass die eigentliche, CO₂-getriebene Erwärmung noch deutlicher sichtbar wird. -
Klimamodelle und Unsicherheiten
Viele Prozesse (z. B. Wolkenmikrophysik, Rückkopplungen in kleinräumigen Staubstürmen) sind in globalen Klimasimulationen nicht genügend aufgelöst. Neuere Ansätze mit künstlicher Intelligenz (KI) können helfen, Lücken zu schließen oder Berechnungen zu beschleunigen. Dennoch benötigt man weiterhin präzise Beobachtungen, um die Parameter in den Modellen realistisch zu halten. -
Erneuerbare Energien und Dunkelflauten
Neben ihren Forschungen an Aerosolen und Klima beschäftigt sich Dr. Fiedler auch mit Fragen zu Dunkelflauten (langen Phasen ohne Wind und Sonne), die für die Energieversorgung zentrale Herausforderungen darstellen. Solche Ereignisse erfordern Speicherung und Netzausbau – und sind meteorologisch gesehen keine spektakulären Extremwetterereignisse, aber entscheidend für ein stabiles Energiesystem der Zukunft. -
Zukünftige Forschung
Ob Staubtransport, Ozeanströmungen, Atmosphäre-Ozean-Interaktionen oder klimarelevante Prozesse in verschiedenen Schichten: Das Zusammenspiel ist komplex. Interdisziplinäre Expeditionen und Modellierungen sind Schlüssel, um verlässliche Szenarien für das 21. Jahrhundert zu entwickeln.
Fazit
Das Gespräch verdeutlicht eindrucksvoll, wie vielschichtig die Erforschung der Atmosphäre ist – mit Aerosolen als einem zentralen Puzzleteil, das lokale Luftqualität, Wolkenbildung, Ozeandüngung und letztlich das globale Klima prägt. Professor Dr. Stefanie Fiedlers anstehende Schiffsmission in den tropischen Atlantik ist ein Beispiel dafür, wie aufwendige Feldkampagnen und modernste Messtechnik helfen, offene Fragen zu klären. Die Daten sollen sowohl das Detailverständnis von Staub- und Partikeldynamiken verbessern als auch langfristig in Klimamodelle einfließen, damit künftige Projektionen präziser und verlässlicher werden.
Ob es um die globale Düngung des Amazonasgebiets durch Sahara-Staub, regionale Klimaeffekte durch anthropogene Sulfatpartikel oder die Herausforderungen eines energiewendedominierten Stromnetzes geht: Forschung wie die von Stefanie Fiedler trägt dazu bei, die Zusammenhänge besser zu verstehen – und damit die Basis für fundierte Klimapolitik und nachhaltige Energieversorgung zu legen.
Die vollständige Liste aller Energiegespräche finden Sie hier: https://energiespeicher.blogspot.com/p/energiegesprache-mit-eduard-heindl.html
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen