Stromleitungen als Energiespeicher?
Stromleitungen erscheinen auf dem ersten Blick nicht als Energiespeicher. Physikalisch speichern sie zwar aufgrund der Maxwellschen-Gesetze den Strom für einige Millisekunden, aber das ist hier nicht von Interesse.
Stromleitungen reduzieren den Speicherbedarf |
Leitungen transportieren und Speicher speichern, so möchte man meinen. Die Sache ist aber etwas komplexer. Das liegt daran, dass bei der Erzeugung von Strom der Zeitpunkt des Verbrauchs und der Zeitpunkt der Erzeugung nicht nur von der Zeit sondern auch vom Ort abhängt. Ein einfaches Beispiel soll das zeigen: Ich koche gerne um 11:30 mein Mittagessen und mein Nachbar kocht es erst um 12:00 und etwas weiter gibt es jemanden der erst um 13:00 mit dem Elektroherd zu kochen beginnt.
Will jeder autark leben, dann hat jeder eine kleine Photovoltaikanlage (1kW) und speichert die Energie in einer Batterie. Wenn jeder zu kochen anfängt, dann holt er aus der Batterie den Strom und mit dem erwärmen der Kochplatten (3kW) leert sich die Batterie.
In unserem zweitem Modell legen wir jetzt Leitungen. Alle Drei haben jetzt ihre Häuser mit Leitungen verbunden. Da die drei Photovoltaikanlagen jetzt verbunden sind, genügt der Strom aus den drei Anlagen jeweils vollständig aus, um jedem Koch seine benötigten 3kW Strom zu liefern. Einen sonnigen Tag mal vorausgesetzt.
Vorteil von Fernleitungen
Die kleine Geschichte mit den drei Köchen hat aber ein Problem, wenn nämlich nirgends die Sonne scheint, so muss jeder doch wieder seinen Strom speichern. Besser ist es wenn man die Leitungen bis an einen Ort legt, an dem die Sonne scheint, und das Wetter ist oft bereits in hundert Kilometer anders als hier.
Typische Wolkenverteilung in Mitteleuropa (Satellitenbild: EUMETSAT) |
Mit den Fernleitungen kann man daher die Speicherkapazität erheblich reduzieren. Bei vollständig lokalem vorgehen, jeder hat Photovoltaik auf dem Dach, will aber keine Stromleitung, müsste man Speicher für fast sechs Monate anlegen, damit man auch im Winter Strom hat.
Windenergie einbinden
Eine weitere Möglichkeit, den Speicherbedarf zu reduzieren besteht im Energiemix, wenn man neben Solarenergie auch Windenergie nutzt, bekommt man insbesondere im Winter viel Strom. Da der Wind besonders an der Küste stark weht, macht es durchaus Sinn, Leitungen von Norddeutschland nach Süddeutschland zu legen um die Versorgung zu verbessern.
Interkontinentale Leitungen
Interessant ist, wie sich der Speicherbedarf entwickelt, wenn man über sehr große Entfernungen den Strom transportiert. Dann wirkt es sich aus, dass das Wetter nie überall gleich ist. Aufgrund physikalischer Gesetzte hat ein Tiefdruckgebiet immer eine Größe im Bereich von 1000km und ebenso groß sind Hochdruckgebiete. Damit weht irgendwo im Umkreis von 1000km immer der Wind und an einem anderem Ort scheint immer irgendwo die Sonne!
Rechnet man dies in Computermodellen genau aus, so zeigt sich, dass bei einem Mix aus Windenergie (60%) und Sonnenenergie (40%) und perfekten Leitungen in Deutschland "nur" ein Speicherbedarf von sieben Tagen (11TWh) besteht. Wird das Stromnetz über ganz Europa gespannt, dann benötigt man nur zwei Tage Speicherkapazität! (Quelle: Lueder von Bremen).
Kosten und Einsparung durch Leitungen
Es ist daher nicht die Frage, ob man Leitungen für Strom will, sondern wie wenig Leitungen man sich leisten kann, denn Speicher sind sehr teuer. Um 11 TWh zu speichern muss man bei einem Speicherpreis von hundert Euro pro kWh (was ein billiger Pumpspeicher ist) 1.100.000.000.000 Euro ausgeben (1.100 Milliarden), diesen Betrag kann man durch europaweite Leitungen auf 3 TWh reduzieren, dann kosten die Speicher "nur" noch 300 Milliarden. Dadurch hat man 800 Milliarden weniger Kosten für Speicher, die man für Leitungen ausgeben kann.
Rechnet man das für jeden Einzelnen, bedeutet das: Statt 14.000 Euro Speicherkosten pro Person nur noch 3.800 Euro Speicherkosten bei einem europaweitem Stromnetz.
Daher verhalten sich Stromleitungen in der Bilanz wie Speicher!
Eine globale Betrachtung im Beitrag
Intercontinental Energy Grid