Prof. Dr.-Ing. Markus J. Löffler: Die Speicherlücke in der Energiewende
In einem fundierten Gespräch wirft der promovierte Energietechniker und ehemalige Professor für elektrische Energiesysteme, Prof. Dr.-Ing. Markus J. Löffler, einen kritischen Blick auf die deutsche Energiewende. Aus seiner langjährigen Praxis bei Rheinmetallforschung und an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen analysiert er die technischen und organisatorischen Hürden. Seit 2018 widmet er sich am Westfälischen Energieinstitut der Auswertung von Energiedaten. Löffler warnt vor einer dramatischen Speicherlücke und plädiert für eine rationale, marktorientierte Umsetzung. Wie können wir ein solch komplexes System ohne klare Verantwortung steuern?
Das vollständige Gespräch finden Sie auf YouTube:
Der Einstieg in die Energietechnik: Von der Neugier zum Fachwissen
Löfflers Leidenschaft für Wissenschaft begann früh – schon als Kind zeichnete er den Mond an einem imaginären Seil zur Erde. Beeinflusst von Science-Fiction und Pionieren wie Daniel Düsentrieb, landete er in der Elektrotechnik an der TU Braunschweig. Dort spezialisierte er sich auf Hochspannung und Hochleistungspulstechnik, arbeitete an elektrischen Waffen und leitete später Labore. Die Energiewende nahm er ab 2016 bewusst wahr: „Ich habe da nur Unfug gelesen. Irgendwelche Größen werden um 10 % größer. Man wusste gar nicht, ob das 10 % von 0 war oder 10 % von 100.“ Frustriert von zahlenfreien Berichten entwickelte er eigene Modelle, um Leistungsverläufe zu berechnen. Welche Rolle spielen präzise Daten in einer Debatte, die oft in Prozenten ertrinkt?
Der Mix der Energiewende: Von 1000 zu 2500 Terawattstunden
Deutschlands Energieversorgung soll auf Erneuerbare umstellen – von einem bunten Mix aus Kohle, Gas und Kernenergie (ca. 20 Gigawatt) zu Wind und Sonne. Doch die Zahlen täuschen: 100 Gigawatt Solarinstallationen klingen beeindruckend, sind aber keine Garantie für Stabilität. Löffler rechnet mit 1000 Terawattstunden Strombedarf jährlich, ergänzt durch 2500 Terawattstunden Primärenergie. Die Lücke schließen Wärmepumpen (ca. 250 TWh) und Holz – der Rest fällt auf Wasserstoff: Schätzungen schwanken zwischen 250 und 1350 TWh, tendenziell 1000 TWh für Industrie und Kraftwerke. „Die neueste Zahl ist jetzt 2500 TWh Primärenergie. Also 1500 Terawattstunden Primärenergie fehlen jetzt auf einmal.“ Warum variieren Prognosen so stark, und wie wirkt sich das auf Investitionen aus?
Die Speicherherausforderung: 175 Terawattstunden fehlen
Der Kern des Problems: Speicher für volatile Erneuerbare. Löfflers Berechnungen ergeben 100 TWh Langzeitspeicher für Ausgleich, plus 75 TWh Puffer für Importe – insgesamt 175 TWh. Für die 90-tägige Notreserve steigen sie auf 200 TWh. Wo lagern? In bestehenden Gasspeichern: Poren und Kavernen fassen derzeit 160-180 TWh Erdgas, doch für Wasserstoff nur ein Fünftel – ca. 33 TWh. Porenspeicher scheiden aus, Kavernen schrumpfen jährlich um 1 % (bis 2045 nur 24 TWh). Ein Faktor-6-Zubau erfordert 400-500 neue Kavernen à 0,3 TWh – Bauzeit: 11 Jahre pro Stück. Mit aktuellem Personal: 50-100 Jahre. „Wenn ich das Speicher nicht habe, kann ich aufhören, kann ich heute oder morgen meinwegen aufhören mit all diesen Geschichten.“ Alternativen wie Methan (Sabatier-Prozess) oder Methanol könnten helfen, da sie bestehende Infrastruktur nutzen. Ist der Wasserstoffhype ein technischer Fehlschlag?
Planungslücken: Kein Bauherr, kein Projektleiter
Löffler vergleicht die Energiewende mit einem chaotischen Bauprojekt: Jede Legislaturperiode ein neuer „Bauherr“ (Wirtschaftsminister), keine feste Verantwortung. Die Bundesnetzagentur koordiniert Zahlen, ist aber kein Projektleiter. Fehlende AFP-Pläne (Arbeits-, Zeit-, Finanzierungsplan) und Ressourcenplanung führen zu Personalmangel. ChatGPT-Chat ergab: 14 von 15 Kriterien für Projektscheitern erfüllt – von unklaren Zielen bis fehlender Kommunikation. „Dieses Projekt Energiewende würde nach dieser Mitteilung von ChatGPT 14 mal an die Wand fahren.“ Der Staat sollte Rahmenbedingungen setzen (z. B. CO2-Steuer), den Markt aber walten lassen. Ein dediziertes Energieministerium mit langfristigem, qualifiziertem Leiter bräuchte es – wie eine „Parallelregierung“. Warum scheitert rationales Planen an politischer Kurzfristigkeit?
Ausblick: Langsame Evolution statt Revolution
Löffler plädiert für Marktanreize: CO2-Bepreisung treibt Innovation, Subventionen verzerren. Die Baugeschwindigkeit vervierfacht sich (von 2070 auf 2038-Ziel), ignoriert Abrisse alter Anlagen. Blackouts drohen nicht sofort, doch Überlastungen ja. Wohlstandsabbau (Flugscham, Kürzungen) signalisiert Scheitern – machbar in Krisen, aber unakzeptabel freiwillig. „Wer solche Gedanken hat, der sagt eigentlich indirekt aus, die Energie, wenn der es gescheitert.“ Global ist Deutschland kein Vorbild, sondern Mahnung: China baut Kohle neben Erneuerbaren, CO2-Maximum erst 2040. Bis 2090 könnten neue Kernkraftwerke zurückkehren. Der Markt, nicht der Staat, regelt – wie seit 1880. Wie balancieren wir Tempo und Machbarkeit?
Sie finden alle Videos unter https://energiespeicher.blogspot.com/p/energiegesprache-mit-eduard-heindl.html
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