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Dienstag, 29. Juli 2025

Marcus Craul


Energiegespräch mit Markus Craul

Das vollständige Gespräch mit Markus Craul auf YouTube.

In diesem Energiegespräch mit Prof. Dr. Eduard Heindl spricht Markus Craul, ein erfahrener Experte im Bereich Energie- und Rohstoffhandel, über die aktuellen Entwicklungen in der Energiewirtschaft, insbesondere über Wasserstoff, Energiehandel und die Herausforderungen der Energiewende. Craul, der nach einer Bankausbildung und Tätigkeiten im Risikomanagement bei Saudi Aramco und RWE die Beratungsfirma Drasdo Collegen & Partner gründete, bietet fundierte Einblicke in die komplexen Zusammenhänge von Energiemärkten und Klimaneutralität.

Wasserstoff: Die Farbenlehre der Energiewende

Ein zentrales Thema des Gesprächs ist Wasserstoff, der als Schlüssel für die Energiewende gilt. Craul erklärt die verschiedenen „Farben“ des Wasserstoffs, die sich nach Herstellungsverfahren und CO₂-Belastung unterscheiden. Grauer Wasserstoff wird durch Dampfreformierung aus Erdgas gewonnen, ein weitverbreitetes, aber CO₂-intensives Verfahren. Blauer Wasserstoff nutzt ebenfalls Erdgas, speichert jedoch das entstehende CO₂ unterirdisch mittels CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage). Türkiser Wasserstoff entsteht durch Methanpyrolyse, bei der fester Kohlenstoff anstelle von CO₂ anfällt, was ihn klimafreundlicher macht. Grüner Wasserstoff, der „Champagner der Energiewende“, wird durch Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind oder Sonne hergestellt und ist vollständig CO₂-neutral. Weitere Varianten wie roter (aus Kernenergie) oder gelber Wasserstoff (aus einem unklar definierten Strommix) werden ebenfalls erwähnt. Craul betont, dass grauer Wasserstoff derzeit am günstigsten ist, da er etwa neunmal weniger Strom als grüner Wasserstoff benötigt.

Herausforderungen der Wasserstoffwirtschaft

Die Herstellung und der Transport von Wasserstoff stellen große Herausforderungen dar. Grüner Wasserstoff ist aufgrund hoher Stromkosten und der teuren Elektrolyseure deutlich teurer, mit Produktionskosten von etwa 4,50 bis 8 Euro pro Kilogramm. Für den Transport wird Wasserstoff oft in Ammoniak umgewandelt, was zusätzliche Energie erfordert. In Deutschland würde der importierte Ammoniak wieder in Wasserstoff zurückverwandelt, was die Prozesskette komplex und energieintensiv macht. Craul hebt hervor, dass Wasserstoff besonders in Brennstoffzellen effizient genutzt werden kann, um Strom zu erzeugen, jedoch sind viele Anlagen noch nicht „wasserstoffready“, da Wasserstoff korrosiv ist und Anpassungen erfordert.

Energiemärkte und Preisbildung

Im Bereich des Energiehandels erläutert Craul die Funktionsweise der Strombörse, insbesondere der EEX in Leipzig. Dort werden Terminkontrakte für Strom (Futures) gehandelt, von Jahres- bis Tagesprodukten. Die Preisbildung folgt dem Merit-Order-Modell, bei dem der Preis durch das teuerste eingesetzte Kraftwerk bestimmt wird, oft Gaskraftwerke. Erneuerbare Energien wie Wind und Sonne haben nahezu keine Grenzkosten, was bei hohem Angebot zu negativen Strompreisen führen kann. Dies stellt eine Herausforderung für die Zukunft dar, wenn der Ausbau erneuerbarer Energien weiter zunimmt. Craul betont, dass Speichertechnologien wie Pumpspeicherkraftwerke oder Elektrolyseure notwendig sind, um Überschussstrom sinnvoll zu nutzen.

Klimaneutralität und globale Herausforderungen

Die Diskussion über Klimaneutralität zeigt die globalen Unterschiede auf. Während Deutschland nur etwa 2 % der weltweiten CO₂-Emissionen verursacht, wachsen die Emissionen in Ländern wie China und Indien durch den Ausbau fossiler Kraftwerke. Craul schlägt vor, dass ein globaler CO₂-Preis oder Zölle auf CO₂-intensive Produkte die Wettbewerbsfähigkeit grüner Technologien steigern könnten. Allerdings warnt er vor Handelshemmnissen, die durch solche Maßnahmen entstehen könnten. Die EU fördert klimaneutrale Technologien durch den Green Deal und die EU-Taxonomie, die bestimmte Energiequellen wie Kernkraft und Erdgas unter Auflagen als „grün“ klassifiziert, um Investitionen in nachhaltige Projekte zu lenken.

Zukunft der Energieversorgung

Blickend in die Zukunft (z. B. 2050) glaubt Craul, dass fossile Brennstoffe weiterhin eine Rolle spielen werden, da die globale Umstellung auf erneuerbare Energien Zeit benötigt. Kernenergie wird in vielen Ländern weiter genutzt, da sie eine zuverlässige und CO₂-arme Energiequelle darstellt. Fortschritte in der Kernfusion könnten langfristig eine Rolle spielen, sind aber noch nicht serienreif. Elektromobilität und Wasserstofftechnologien werden zunehmen, doch der Übergang wird von wirtschaftlichen und politischen Anreizen abhängen.

Finanzierung und Investitionen

Die Finanzierung erneuerbarer Energien wird durch die EU-Taxonomie und ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) gefördert. Investoren, darunter große Fonds wie der norwegische Staatsfonds, lenken Kapital zunehmend in nachhaltige Projekte. Dies beeinflusst Unternehmen, nachhaltige Produkte zu entwickeln, um Zugang zu günstigeren Finanzierungen zu erhalten. Craul betont, dass die steigenden Zinsen die Finanzierung großer Infrastrukturprojekte wie Solarparks erschweren, da die Anfangsinvestitionen hoch sind und die Erträge unsicher bleiben.

Sie finden alle Videos unter https://energiespeicher.blogspot.com/p/energiegesprache-mit-eduard-heindl.html

Wichtige Stichworte: Wasserstoff, Energiewende, Energiehandel, Klimaneutralität, EU-Taxonomie

Freitag, 25. Juli 2025

Prof. Dr. Gregor Dorfleitner

 Prof. Dr. Gregor Dorfleitner: Nachhaltigkeit in der Finanzwelt verstehen

Das vollständige Gespräch mit Prof. Dr. Gregor Dorfleitner auf YouTube


Vom Derivate-Spezialisten zum Pionier nachhaltiger Finanzierungen

Prof. Dr. Gregor Dorfleitner, Direktor des Center of Finance an der Universität Regensburg, hat einen ungewöhnlichen Werdegang: Nach seinem Mathematikstudium fand er über eine Stelle am Statistiklehrstuhl zum Thema DAX-Futures in die Finanzwissenschaft. Als Professor in Wien befasste er sich zunächst mit Financial Engineering. Doch die Vorboten der Finanzkrise 2008 ließen ihn zweifeln, ob er auf dem „richtigen“ Weg sei. Sein Interesse verlagerte sich auf sinnstiftendere Forschung – insbesondere in der nachhaltigen Finanzierung.

Sein Einstieg erfolgte über Mikrofinanzinstitutionen: Kredite an Menschen in Entwicklungsländern, die damit wirtschaftlich eigenständig werden. Daraus entwickelte sich seine bis heute andauernde Auseinandersetzung mit Impact Investing, das neben Rendite auch ökologische und soziale Wirkungen anstrebt.


ESG: Dreidimensionale Bewertung von Unternehmen

Ein zentrales Thema des Gesprächs ist die ESG-Bewertung – Environmental, Social, Governance. Dorfleitner erklärt die Unterschiede zwischen klassischen Ratings (etwa Triple-A für sichere Staatsanleihen) und ESG-Ratings, die zusätzlich Nachhaltigkeitsaspekte messen.

Während klassische Ratings die Rückzahlungswahrscheinlichkeit bewerten, beurteilen ESG-Ratings z. B. CO₂-Emissionen (Scope 1–3), Arbeitsbedingungen, Lieferketten, Korruptionsprävention oder Diversität im Management. Die Datenlage ist komplex: Ratingagenturen verarbeiten teils 800 Kennzahlen pro Unternehmen, gewichten sie unterschiedlich – was zu abweichenden Ergebnissen führen kann.

Dorfleitner plädiert dafür, diese Vielfalt nicht als Makel zu sehen: Es existieren eben unterschiedliche ethische Maßstäbe. Was für den einen nachhaltig ist (z. B. eine Brauerei), ist für den anderen ein Ausschlusskriterium.


Grüne Anleihen und Informationskosten

Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Unternehmen gibt eine Anleihe heraus, um seine Produktionshallen mit Photovoltaik auszustatten. Wird die Mittelverwendung zweckgebunden und nachvollziehbar grün, spricht man von einem „Green Bond“. Für solche Anleihen gibt es wiederum eigene Ratinganbieter.

Private wie institutionelle Anleger nutzen ESG-Informationen, um ihre Investments mit persönlichen Werten oder Risikoeinschätzungen abzugleichen. Dorfleitner erläutert den Effekt der Informationskosten: Wer auf ESG-Kriterien achtet, zahlt z. B. für Datenbanken oder Analysten – was aber gut investiertes Geld sein kann, wenn es hilft, Risiken zu vermeiden.


Unternehmen und nachhaltige Investitionen: Rendite entscheidet

Unternehmen wiederum investieren nur dann in „grüne“ Projekte, wenn sie sich rechnen – oder entsprechende Förderungen erhalten. Ein CFO berichtete etwa, dass sich eine Investition in einen Hybridofen (Gas/Strom) ohne staatlichen Zuschuss nicht lohnt, obwohl er nachhaltiger wäre.

Hier zeigt sich die Rolle der Politik: Mit gezielten Zuschüssen kann der Staat Investitionsentscheidungen lenken, ohne die Marktlogik zu sprengen. Aber: Nachhaltige Investitionen müssen langfristig auch wirtschaftlich tragfähig sein – sonst sind sie nicht nachhaltig im ökonomischen Sinne.


EU-Taxonomie: Normierung mit Nebenwirkungen

Mit der EU-Taxonomie kommt eine staatlich regulierte ESG-Klassifikation ins Spiel. Sie schreibt Unternehmen vor, welche Aktivitäten als „ökologisch nachhaltig“ gelten, orientiert an sechs Umweltzielen (u. a. Klimaschutz, Biodiversität, Kreislaufwirtschaft). Unternehmen müssen selbstständig berichten, wie viel ihres Umsatzes, ihrer Investitionen oder Tätigkeiten diesen Kriterien genügen.

Kritiker bemängeln den bürokratischen Aufwand, besonders für kleine und mittlere Unternehmen. Dorfleitner erkennt die Systematik der Taxonomie an, warnt aber vor einer möglichen Planwirtschaft durch übermäßige Regulierung. Transparenz sei wichtig – doch Aufwand und Nutzen müssten im Gleichgewicht bleiben.


Greenwashing und Wirkung von ESG-Investments

Greenwashing – also der Versuch, sich durch gezielte PR oder Zertifikate „grüner“ darzustellen als man tatsächlich ist – bleibt eine Herausforderung. Insbesondere, wenn über CO₂-Zertifikate eine vermeintliche Klimaneutralität erreicht wird, ohne realen Wandel im Unternehmen.

Trotzdem sieht Dorfleitner ESG-Investitionen nicht nur als „Wohlfühlentscheidung“ (warm glow), sondern als rationalen Weg, Risiken zu minimieren und Unternehmen langfristig resilienter zu machen. Die Renditeunterschiede zwischen grünen und herkömmlichen Anleihen seien gering, doch die Marktdynamik wachse stetig.


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https://energiespeicher.blogspot.com/p/energiegesprache-mit-eduard-heindl.html

Stichworte: ESG-Rating, nachhaltige Geldanlage, Green Bonds, EU-Taxonomie, Unternehmensfinanzierung