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Samstag, 18. Januar 2025

Tom Klein im Energiegespräch

Zusammenfassung des Energiegesprächs mit Tom Klein

Das vollständige Energiegespräch mit Tom Klein auf YouTube.

1. Tom Kleins Weg von Kanada nach Deutschland

Tom Klein, geboren und aufgewachsen in Toronto, kommt als Kind von deutschen Auswanderern bereits früh mit der deutschen Sprache und Kultur in Kontakt. Obwohl er in Kanada zunächst eine akademische Laufbahn einschlägt – studiert u. a. Psychologie, Politik, Philosophie und Literatur und doziert an der Universität – zieht es ihn 1989 nach Deutschland. Hierzulande findet er schließlich sein berufliches Zuhause als Coach und Transformationsberater für Unternehmen.
Seine Entscheidung, Kanada zu verlassen, ist vorwiegend durch ein anhaltendes Gefühl geprägt, in Nordamerika „anders“ zu sein. Dieses „Anderssein“ führt er auf die kulturelle Prägung durch seine Eltern und deren Sprache zurück. Anders als viele Akademiker in Deutschland, die klassisch „topdown“ unterrichten, versucht er stets, sein Wissen in partizipativen Lehr- und Coaching-Formen zu vermitteln. Seine berufliche Tätigkeit ermöglicht es ihm, Elemente beider Kulturen zu verbinden: die Offenheit und Dynamik Kanadas mit der gründlichen, strukturierten Denkkultur Deutschlands.

2. Was ist Transformation? – Zwischen evolutionärer Verbesserung und Systemwechsel
Ein zentrales Motiv in Tom Kleins Arbeit ist die Begleitung und Initiierung von Transformationsprozessen. Er unterscheidet dabei zwischen Veränderungen „erster Ordnung“ und Veränderungen „zweiter Ordnung“. Letztere beschreibt er als systemische Transformation: Sie erfordert das Loslassen alter Muster, um gänzlich neue Wege zu gehen. Genau darin liegt die eigentliche Herausforderung für Unternehmen, aber auch für politische Systeme.
In seinen Ausführungen wird deutlich, wie oft Veränderungsbemühungen in Unternehmen an widerstrebenden Strukturen oder festgefahrenen Denkmustern scheitern. Etwa wenn eine IT-Abteilung bereits agil und schnell reagieren möchte, aber Controlling, Personalwesen (HR) und Vorstand nach wie vor klassisch-hierarchische Methoden anwenden. Das Resultat sind oftmals Blockaden und Inkompatibilitäten. Klein betont, dass ein wahrer Transformationsimpuls zwar häufig „top down“ initiiert wird, die eigentliche Dynamik jedoch von unten her – also „bottom-up“ – wachsen muss.

3. Digitale Disruption, Unternehmenskultur und politische Steuerung
Ein Schlüsselbeispiel für tiefgreifende Transformationen bildet die Autoindustrie: Lange Zeit galten deutsche Hersteller weltweit als vorbildlich für Ingenieurskunst und Qualitätsstandards. Doch mit dem Aufkommen von Tesla sowie digitaler Vernetzung und Software-getriebenen Geschäftsmodellen haben viele deutsche Autobauer den Anschluss an neue Technologien, insbesondere die Digitalisierung, verschlafen. Die bestehenden linearen Denk- und Planungsprozesse – basierend auf inkrementellen Verbesserungen – treffen auf eine exponentielle Veränderungsgeschwindigkeit, der mit herkömmlichen Methoden kaum beizukommen ist.
Klein verweist auf die Versäumnisse in Deutschland, die bereits mit dem Internet- und Laptop-Boom begannen. Die großen Hardware-Wellen, Social-Media-Plattformen und nun die dritte Welle Künstlicher Intelligenz fanden und finden meist anderswo statt. Obwohl hierzulande Spitzenforschung betrieben wird, fehlt häufig das politische und wirtschaftliche Ökosystem, um aus Innovation auch marktstarke Produkte zu formen. Deutlich wird zudem, dass Kontrollbestrebungen seitens Politik und Management – etwa durch immer neue Kennzahlen, Auflagen und Verbote – in Zeiten hoher Komplexität kontraproduktiv sein können. Sie erzeugen mehr Gegenkräfte und lähmen die eigentliche Vitalität und Innovationskraft der jeweiligen Organisation oder Gesellschaft.

4. Energiepolitik und deutsche Industrie: Ein kritischer Blick
Im Gespräch geht es ausführlich um die deutsche Energiewende. Aus Kleins Sicht krankt sie an einem angstgetriebenen Narrativ und einem autoritär anmutenden Vorgehen von oben. Statt einer praxisorientierten „Phasen-Lösung“ mit parallel voranschreitendem Ausbau verschiedener Technologien (einschließlich Kernenergie als emissionsarme Grundlastquelle) habe Deutschland auf einen radikalen Ausstieg aus der Kernkraft gesetzt. Gleichzeitig bleiben zentrale Fragen der Netzstabilität und bezahlbaren Energie ungelöst.
Das Resultat seien hohe Strompreise und Unsicherheit: Wichtige Industrien wie Chemie, Stahl, Automobilproduktion und Maschinenbau – alle basierend auf günstiger und verlässlicher Energie – geraten zunehmend unter Druck. Als besonders problematisch beurteilt Klein, dass eine Vielzahl der neuen Technologien (Solaranlagen, Batterien etc.) nicht in Deutschland, sondern im Ausland hergestellt wird. Damit ist kein nationaler Aufschwung verbunden, sondern oftmals eine Netto-Belastung durch teure Importe und zusätzliche Verschuldung für Subventionen.
Daran zeigt sich nach Kleins Einschätzung auch ein Mangel an angemessenem Umgang mit Komplexität: Ein (politischer) Glaube, durch immer mehr Vorschriften und Verbote könne man Großsysteme wie Wirtschaft und Gesellschaft kontrollieren, offenbart sich in der Praxis als Irrglaube. Es fehle an pragmatischen, gestaltenden Impulsen und einer breiten Einbindung sämtlicher Akteure.

5. Chancen, Risiken und Perspektiven – Vom Freiraum zur Vitalität
Trotz der kritischen Diagnose benennt Klein Ansätze, die Mut machen können. Er greift das Bild einer „somatischen Psychologie“ auf, nach der jedes System – ob Mensch, Unternehmen oder Gesellschaft – grundsätzlich voller Vitalität ist. Die entscheidende Frage lautet: „Wie viel Kraft, wie viel Vitalität ist das System bereit auszuhalten?“
Dafür müssten jedoch „Pflöcke der Kontrolle“, also überbordende Vorschriften und Angst-gesteuerte Verbotsmentalität, gelockert oder beseitigt werden. Statt topdown-Steuerung und rigoroser Markteingriffe bräuchte es Raum für Experimente, dezentrale Innovation und pragmatische Umsetzungen. Im Idealfall setzt man gezielt Anreize (z. B. kostengünstiger Strom, steuerliche Erleichterungen für Forschung), ohne die Wirtschaft mit Verboten und Bürokratie zu ersticken.
Gerade in hochkomplexen Fragestellungen wie der Klimapolitik oder Digitalisierung plädiert Klein für eine verantwortungsvolle, aber weniger angstgeleitete Haltung: Der Staat solle eher Impulse anstoßen, Rahmenbedingungen vereinfachen und „Sammelbewegungen“ erlauben, bei denen Forschung, Industrie und Gesellschaft gemeinsame Visionen entwickeln. Verbote und strenge Kontrolle seien langfristig kontraproduktiv und würden Abwanderung, Populismus und Spaltung fördern.

Abschließend bleibt der Appell, dass es möglich ist, Transformationsprozesse zum Gelingen zu bringen. Hierfür müssten einerseits Politik und Verwaltung ihre allzu enge Steuerungsmentalität aufgeben, andererseits Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen die Verantwortung für Gestaltung und Innovation selbstbewusster annehmen. So wie der einzelne Mensch durch riskante Erfahrungen wachsen kann, so können Wirtschaft und Gesellschaft jenseits starrer Vorschriften eine neue Form von Vitalität erlangen – sofern man sie lässt.

Die vollständige Liste aller Energiegespräche finden Sie hier: https://energiespeicher.blogspot.com/p/energiegesprache-mit-eduard-heindl.html

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