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Samstag, 8. Februar 2025

Professor Dr. Franz Josef Radermacher im Energiegespräch



Energiegespräch mit Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Franz Josef Radermacher

Das vollständige Gespräch mit Professor Dr. Franz Josef Radermacher auf YouTube

1. Einleitung und persönlicher Hintergrund

Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Franz Josef Radermacher ist Mathematiker, promovierter Wirtschaftswissenschaftler und Informatiker. Er leitete das Forschungsinstitut für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung (FAW) und war bis 2018 Professor an der Universität Ulm. Bekannt wurde er vor allem durch seinen Einsatz für eine weltweite ökosoziale Marktwirtschaft und sein Engagement in der Global Marshall-Plan Initiative. Bereits in jungen Jahren (mit etwa 16/17) begann er sich intensiv mit globalen Zukunftsfragen und Ungleichheiten zu beschäftigen. Dabei erkannte er früh die zentrale Rolle von Ökonomie und Finanzsystemen, um große Probleme wie Überbevölkerung, Hunger und Umweltzerstörung anzugehen.

Sein Buch „All In – Energie und Wohlstand in einer wachsenden Welt“ (zusammen mit Bert Beyers) skizziert die Idee einer globalen ökosozialen Marktwirtschaft, in der sozial-ökonomische Entwicklung und Klimaschutz zusammengedacht werden. Entscheidend ist aus seiner Sicht, dass solche Konzepte wissenschaftlich fundiert sowie international tragfähig sind und nicht an kurzsichtigen nationalen Alleingängen scheitern.


2. Globale Ziele und Widersprüche

Die Vereinten Nationen haben mit den 17 Sustainable Development Goals (SDGs) einen ambitionierten Fahrplan für eine gerechtere und nachhaltigere Welt vorgelegt. Prof. Radermacher betont jedoch, dass diese Ziele häufig in sich widersprüchlich („inkonsistent“) sind. So kollidiere beispielsweise das Ziel „Kein Hunger“ (Zero Hunger) mit dem Klimaschutzziel, wenn Entwicklungs- und Schwellenländer nicht mehr CO₂ emittieren dürften, obwohl sie dringend mehr Energie benötigen, um ihre Bevölkerung zu ernähren und aus der Armut zu holen.

Ähnlich problematisch sei die Finanzierung: Viele UN-Ziele werden zwar feierlich verabschiedet, jedoch ohne hinreichende finanzielle und strukturelle Umsetzung. Ein Beispiel sind die Millenium Development Goals (MDGs) von 2000, die letztlich scheiterten, weil keine ausreichenden Mittel und Mechanismen hinterlegt wurden. In seiner Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (nun Chef der UNIDO) hebt Radermacher hervor, dass speziell das Ziel „Kein Hunger“ seit 2015 durch Pandemien und Konflikte wie den Ukraine-Krieg noch schwerer zu erreichen sei – die Hungerzahlen steigen sogar wieder an.


3. Entwicklungswege und internationale Vergleiche

China und Indien
China hat in den letzten Jahrzehnten Millionen Menschen aus der Armut geführt. Das gelang unter anderem durch massive Investitionen des Westens und die Integration in globale Wertschöpfungsketten. Gleichzeitig hat China dabei große Umwelt- und Klimabelastungen in Kauf genommen und ist heute für rund ein Drittel der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich. Auch Indien wächst rasant und strebt eine Klimaneutralität bis 2070 an.

Afrika
Demgegenüber ist Afrika durch Kolonialismus, willkürliche Grenzziehungen und interne Konflikte stark zersplittert. Viele afrikanische Staaten sind wirtschaftlich schwach, haben begrenzte Infrastrukturen und leiden unter anhaltenden Auseinandersetzungen um Ressourcen. Eine eigenständige, übergreifende afrikanische Entwicklungsstrategie ist daher schwer umzusetzen. Dennoch hält Radermacher die industrielle Entwicklung und Armutsbekämpfung für unabdingbar, um soziale Spannungen und Fluchtbewegungen zu reduzieren. Denn nur aus Armut herauszukommen ermöglicht es Ländern, langfristig klimafreundlich zu agieren.


4. Energiepolitik: Stärken und Schwächen aktueller Strategien

All Electric und „Klimanationalismus“
Radermacher kritisiert das deutsche Paradigma „All Electric“ (Strom aus erneuerbaren Quellen soll alle Energiebedarfe ersetzen) als zu teuer, zu instabil und zu eng gedacht. Die Stromerzeugung deckt weltweit nur etwa ein Drittel des gesamten Energiebedarfs ab; rund zwei Drittel beruhen nach wie vor auf Brennstoffen. Zudem erzeugen erneuerbare Energien wie Wind und Sonne volatile Einspeisungen, die große Speicher oder Backup-Systeme erfordern.
Er bemängelt außerdem eine Art „Klimanationalismus“, bei dem Deutschland und andere Staaten klimapolitische Maßnahmen vorrangig im eigenen Land umsetzen wollen, statt global kostengünstigere Optionen zu nutzen. Beispielsweise investiert Deutschland enorme Summen in E-Ladesäulen und Elektromobilität, während die Schweiz ihre Mittel zum Teil in Aufforstungsprojekte in Entwicklungsländern steckt. Dort wird mit wesentlich geringeren Kosten echtes CO₂ gebunden und zudem die Wirtschaft vor Ort belebt.

Carbon Capture und Kernkraft
Ein zentraler Baustein von Radermachers Strategie ist „Fossil mit Carbon Capture“: Fossile Brennstoffe bleiben im Einsatz, das entstehende CO₂ wird jedoch abgeschieden und in geeigneten Gesteinsschichten oder ehemaligen Erdöl-Lagerstätten eingelagert (CCS: Carbon Capture and Storage). So werden die Emissionen vermieden, ohne dass ganze Infrastrukturen und Industrien über Nacht aufgegeben werden müssen. Ein Beispiel dafür sind die USA, die bereits seit Jahrzehnten CO₂ in Pipelines transportieren, um damit in alten Förderstätten den Druck zu erhöhen und zusätzliches Erdöl/-gas zu gewinnen (Enhanced Oil Recovery).
Auch der Ausbau der Kernenergie wird weltweit wieder relevanter: China, die USA oder auch Tech-Konzerne setzen zunehmend auf Atomkraft, um verlässliche, CO₂-arme Stromquellen zu gewährleisten. Deutschland dagegen hat nach Fukushima einen radikalen Atomausstieg beschlossen, was laut Radermacher zu weiteren Kosten für den Stromsektor führt und die Energieversorgung zusätzlich verkompliziert.

Rolle der Biomasse und alternativer Kraftstoffe
Mit Blick auf Verkehr und Schwerlast betont Radermacher die Bedeutung biogener Treibstoffe wie HVO (Hydrotreated Vegetable Oil), das aus Rest- und Abfallfetten hergestellt wird. Dieser Kraftstoff ist fast klimaneutral, solange er aus nachhaltigen Quellen stammt. Zudem sei Biomasse in Form schnell wachsender Hölzer (etwa für Ethanol- oder Methanol-Herstellung) ein wichtiger Baustein, jedoch nicht beliebig skalierbar. Wirklich große CO₂-Senkungspotenziale sieht er in Aufforstung, Humusbildung und Renaturierung in tropischen Regionen.


5. Aufforstung, globale Finanzierungsansätze und die Rolle des Südens

Ein Schlüsselelement in Radermachers Konzept bildet die massive (Wieder-)Aufforstung weltweit: Eine Milliarde Hektar in den Tropen könnte CO₂ in großem Stil binden. Dort ist das Baumwachstum schnell, und zugleich entstünden neue Wertschöpfungsketten in Forst- und Holzwirtschaft. Dies würde nicht nur das globale Klima stabilisieren, sondern auch Armut lindern. Voraussetzung für solche Projekte sind vertragliche Regelungen auf Augenhöhe, damit Mittel aus den Industrieländern nicht als „Almosen“ missverstanden werden, sondern als Bezahlung für reale Klimadienstleistungen.

Bilaterale Verträge statt einseitiger Entwicklungshilfe
Radermacher plädiert für langfristige Verträge zwischen der OECD (als Vertreterin der reichen Staaten) und einzelnen Entwicklungsländern, in denen sich beide Seiten verpflichten: Der globale Süden schützt Waldgebiete, forstet auf oder verbessert Böden („Dekonditionierung“ der Emissionen) und erhält im Gegenzug verbindliche Zahlungen. Diese Gelder sind kein „Freikauf“ – sie ermöglichen die Erschließung wirtschaftlicher Perspektiven. Mit unabhängigen Kontrollmechanismen (z.B. Satellitenbilder) ließe sich sicherstellen, dass Wälder tatsächlich erhalten bleiben oder neu entstehen.

Finanzierung und globaler Handel mit Emissionen
Schon das Kyoto-Protokoll von 1997 sah mit dem „Clean Development Mechanism“ (CDM) vor, dass Industriestaaten Teile ihrer Emissionsminderungen im Ausland durch Projekte erzielen können. Allerdings blieb das Volumen gering. Im Pariser Abkommen (Artikel 6.4) wird dies erneut aufgegriffen und ermöglicht den Handel von CO₂-Minderungszertifikaten auf globaler Ebene. Während einige Länder (z.B. Schweiz, Japan) bereits erfolgreich in Aufforstung investieren, sperrt sich speziell Deutschland gegen diese Form der Kompensation und setzt lieber auf „Inlandsprojekte“.
Radermacher hält diesen national orientierten Ansatz für zu teuer und wenig wirksam. Internationale Emissionsmärkte könnten stattdessen Entwicklungen im Süden anstoßen, die gleichzeitig die CO₂-Bindung verbessern, Hunger lindern und den Lebensstandard heben. Wichtig sei, dass die reiche Welt endlich große Summen bereitstellt, um den notwendigen Strukturwandel zu finanzieren – dann wären viele Länder des globalen Südens willige Partner, zum beiderseitigen Vorteil.


Fazit
Prof. Franz Josef Radermacher verdeutlicht in diesem Gespräch, dass Klimaschutz untrennbar mit Armutsbekämpfung und globalen Wirtschaftsstrukturen verbunden ist. Er kritisiert eindimensional gedachte, rein nationale Strategien (All Electric, vollständiger Verzicht auf fossile Energieträger, Klimaschutz nur im eigenen Land) und spricht sich für mehrere parallele Ansätze aus:

  • Erneuerbare Energien, aber nur bis zu einer verlässlichen 50-%-Quote im Stromsektor.
  • Nuklearenergie und Carbon Capture als wichtige Bausteine, um verlässliche Energie zu sichern.
  • Aufforstung und Bodenverbesserung im Globalen Süden, um CO₂ zu binden und zugleich neue Märkte sowie Beschäftigung zu schaffen.
  • Verbindliche Verträge zwischen OECD-Staaten und Entwicklungsländern, sodass gezahlte Mittel nicht als „Entwicklungshilfe“, sondern als Gegenleistung für konkrete Klimadienstleistungen gelten.

Nur so ließe sich ein globaler Ausgleich organisieren, in dem Wohlstand und Klimaschutz Hand in Hand gehen. Letztlich müssen die „Spielregeln“ des internationalen Systems so verändert werden, dass alle Beteiligten einen Nutzen haben – im Idealfall bis 2070 mit einer CO₂-neutralen Welt, die trotzdem wirtschaftlich dynamisch wächst und den Menschen ein gutes Leben ermöglicht.

Die vollständige Liste aller Energiegespräche finden Sie hier: https://energiespeicher.blogspot.com/p/energiegesprache-mit-eduard-heindl.html


Samstag, 1. Februar 2025

Prof. Dr. Maximilian Fichtner im Energiegespräch

 

Zusammenfassung des Gesprächs Prof. Dr. Maximilian Fichtner

Das vollständige Energiegespräch mit Prof. Dr. Maximilian Fichtner auf YouTube.

Einleitung und Hintergrund von Prof. Dr. Maximilian Fichtner 

Prof. Dr. Maximilian Fichtner, ein führender Batterieforscher, wurde 1961 in Heidelberg geboren und ist seit 2013 Professor für Festkörperchemie an der Universität Ulm. Er ist wissenschaftlicher Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm für elektrochemische Energiespeicherung und Leiter des Exzellenzclusters "Post-Lithium-Speicher" (POLiS). Fichtner hat eine lange wissenschaftliche Karriere hinter sich, die ihn von der Radiochemie über die Wasserstoffforschung bis hin zur Batterieforschung geführt hat. Er betont, dass die Batterieforschung in Deutschland in den 2000er Jahren einen starken Aufschwung erlebte, nachdem die Elektrochemie in den 1990er Jahren eher vernachlässigt wurde.

Probleme mit Wasserstoff als Energieträger 

Fichtner erklärt, dass Wasserstoff als Energieträger zwar vielversprechend ist, aber erhebliche Herausforderungen mit sich bringt. Die Speicherung von Wasserstoff ist aufgrund seiner geringen Dichte schwierig, und die Herstellung von grünem Wasserstoff durch Elektrolyse ist derzeit noch zu teuer. Zudem wird der Großteil des Wasserstoffs heute aus Erdgas gewonnen, was CO₂-Emissionen verursacht. Fichtner betont, dass Wasserstoff in bestimmten Bereichen wie der Ammoniak- oder Methanolherstellung unverzichtbar ist, aber für Anwendungen wie die Raumheizung oder den Verkehr nicht wettbewerbsfähig ist.

Entwicklung und Zukunft der Batterietechnologie 

Fichtner geht ausführlich auf die Entwicklung der Lithium-Ionen-Batterien ein, die seit den 1990er Jahren eine enorme Steigerung der Speicherkapazität und eine drastische Senkung der Preise erfahren haben. Er erwähnt, dass neue Batterietypen wie Natrium-Ionen-Batterien und Eisen-Luft-Batterien in der Entwicklung sind, die potenziell kostengünstiger und nachhaltiger sein könnten. Fichtner betont, dass die Verpackung und das Design der Batterien genauso wichtig sind wie die chemischen Materialien selbst, um die Energiedichte zu erhöhen.

Herausforderungen in der Batterieproduktion und Forschung 

Ein großes Problem in der Batterieproduktion ist der hohe Energieverbrauch bei der Trocknung der Elektroden. Fichtner erwähnt, dass neue Technologien wie KI-gestützte Prozesse die Produktionseffizienz verbessern können. Er kritisiert jedoch die mangelnde Geduld der deutschen Industrie bei der Entwicklung neuer Technologien. Im Gegensatz zu China, das trotz anfänglicher Schwierigkeiten langfristig in die Batterieproduktion investierte, habe Deutschland oft zu früh aufgegeben.

Zukunft der Energieversorgung und Speicherung

Fichtner diskutiert die Rolle von Batteriespeichern in der zukünftigen Energieversorgung. Er betont, dass große Batteriespeicher, wie sie in den USA und China gebaut werden, eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung der Stromnetze spielen können. In Deutschland sieht er Potenzial für den Ausbau von Batteriespeichern, um Gaskraftwerke zu ersetzen und die Strompreise zu senken. Er ist jedoch skeptisch gegenüber der Kernenergie, da die Kosten für den Bau neuer Kernkraftwerke in Europa explodiert sind und die Uranressourcen begrenzt sind.

Fazit

Prof. Dr. Maximilian Fichtner betont die Notwendigkeit, langfristig in die Entwicklung neuer Energiespeichertechnologien zu investieren. Er kritisiert die kurzfristige Denkweise in Deutschland und plädiert für mehr Geduld und Durchhaltevermögen, um in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Batterieforschung und -produktion sieht er als Schlüsseltechnologie für die Energiewende, während er Wasserstoff und Kernenergie eher kritisch betrachtet.

Die vollständige Liste aller Energiegespräche finden Sie hier: https://energiespeicher.blogspot.com/p/energiegesprache-mit-eduard-heindl.html