Mittwoch, 30. Juli 2025

Prof. Dr. André Thess

 

Gespräch mit Prof. Dr. André Thess

Das vollständige Gespräch mit Prof. Dr. André Thess auf YouTube.

Werdegang und Einstieg in die Energietechnik

Prof. Dr. André Thess, Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart, hat einen beeindruckenden internationalen Werdegang. Geboren 1964 in Sankt Petersburg, promovierte er 1991 an der TU Dresden und war unter anderem Gastprofessor an der Stanford University und der Nagoya University. Seine Leidenschaft für Energietechnik entwickelte sich während eines Praktikums am Zentralinstitut für Kernforschung in Rossendorf. Dort kam er mit Thermodynamik, Reaktorphysik und Energietechnik in Berührung, was sein berufliches Leben prägte. „Ich bin zwar am Ende nicht Kernphysiker geworden, aber durch diese Entscheidung bin ich mit Energietechnik in Kontakt gekommen und habe sie lieben gelernt“, sagt Thess.

Energiewandlung und Wärmekraftmaschinen

Ein zentrales Thema des Gesprächs ist die Energiewandlung. Thess erläutert, dass die heutige Energiewelt von fossilen Brennstoffen und Wärmekraftmaschinen wie Dampf- oder Gasturbinen dominiert wird. Diese wandeln Wärme in mechanische Energie und letztlich in Strom um. Der Wirkungsgrad solcher Systeme ist begrenzt durch die Temperaturdifferenz zwischen heißer und kalter Seite, wie sie Carnot 1824 definierte. „Wir sind dank der 200-jährigen Geschichte der Wärmekraftmaschinen dieser theoretischen Grenze schon relativ nahe gekommen“, betont Thess. Dennoch sieht er in den nächsten Jahrzehnten eine Transformation hin zu erneuerbaren Energien wie Wind, Solar und Kernenergie.

Energiespeicherung: Die Zukunft der Energiewende

Die Energiewende erfordert neue Ansätze zur Speicherung von Strom aus fluktuierenden Quellen wie Wind und Sonne. Thess fokussiert auf sogenannte Carnot-Batterien, die Strom mittels Wärmepumpen in Wärme umwandeln, diese speichern und bei Bedarf wieder in Strom zurückverwandeln. Solche Systeme könnten Speicherkapazitäten von mehreren hundert Gigawattstunden erreichen, was für eine Industrienation wie Deutschland essenziell ist. Thess hebt hervor: „Die große Herausforderung besteht darin, Wärmepumpe, Wärmespeicher und Wärmekraftmaschine so zu optimieren, dass der Wirkungsgrad möglichst nahe an 100% kommt.“ Im Vergleich zu Lithium-Ionen-Batterien sind Carnot-Batterien für großskalige, langfristige Speicherung geeignet, während Batterien für kurzfristige Speicherung besser sind.

Kernenergie: Emotionen versus Fakten

Ein kontroverses Thema ist die Kernenergie. Thess kritisiert die emotionale Ablehnung in Deutschland, die nicht immer auf wissenschaftlichen Fakten basiert. Er verweist auf Studien, die zeigen, dass die Kernenergie im Vergleich zu Kohle deutlich weniger Todesopfer pro Terawattstunde verursacht (0,1 gegenüber 25). Er bemängelt, dass Medien oft ungenau über Kernenergie berichten, etwa durch Vermischung von Tsunami- und Reaktoropfern in Fukushima. Thess fordert eine sachliche Debatte und verweist auf die internationale Nutzung der Kernenergie in Ländern wie den USA, Frankreich und Japan.

Wasserstoff und CO2-Vermeidungskosten

Wasserstoff wird als potenzieller Energiespeicher diskutiert, doch Thess sieht hier ökonomische Hürden. Grüner Wasserstoff kostet etwa sechs Euro pro Kilogramm, während fossiler Wasserstoff nur einen Euro kostet. Die Herausforderung besteht darin, die Kosten zu senken. Thess plädiert für Technologieneutralität und einen CO2-Preis, der den Markt steuert, anstatt politische Vorgaben. Bei der CO2-Vermeidung betont er die Effizienz: „Die Modernisierung eines indischen Kohlekraftwerks spart eine Tonne CO2 für etwa 50 Euro, ein Elektroauto in Deutschland kostet 500 Euro pro Tonne.“ Kernkraftwerke liegen bei 100–200 Euro pro Tonne, was sie zu einer effizienten Klimaschutzmaßnahme macht.

Kulinarische Thermodynamik: Wissen mit Genuss verbinden

Ein ungewöhnlicher Aspekt von Thess’ Arbeit ist seine Vorlesung „Kulinarische Thermodynamik“, die Thermodynamik mit Kochen verbindet. Ziel ist es, Studierende für das Fach zu begeistern und sie zum Kochen zu motivieren. Beispielsweise wird die Wärmeübertragung anhand von Bratpfannen analysiert, gefolgt von Verkostungen. Thess kritisiert humorvoll EU-Vorschläge wie die Leistungsbegrenzung von Wasserkochern und schlägt stattdessen einen „Deckel-Zwang“ für Töpfe vor, da dies Energie spart.

Ausblick auf die Energiewelt 2100

Zum Abschluss wagt Thess eine Prognose für 2100: Fossile Energien werden durch Innovationen in Wind, Sonne, Kernenergie und möglicherweise Kernfusion zurückgedrängt. „Die Zukunft sieht anders aus, als wir sie uns heute vorstellen“, sagt er und betont, dass technologische Fortschritte und ein CO2-Preis die Energiewelt CO2-arm und kostengünstig machen könnten, ähnlich wie Innovationen die Steinzeit beendeten.


Sie finden alle Videos unter https://energiespeicher.blogspot.com/p/energiegesprache-mit-eduard-heindl.html

Stichworte: Energiewandlung, Carnot-Batterien, Kernenergie, Wasserstoff, CO2-Vermeidung

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