Die Idee der Kapazitätsmärkte
Im Zusammenhang mit der Umstellung der Energieversorgung wird häufig eingeworfen, wir brauchen dringend Kapazitätsmärkte. Es geht um die Frage, "wann gehen die Lichter aus", wenn wir weiter erneuerbare Energien installieren. Zunächst erscheint es ja sehr merkwürdig, dass durch zusätzliche Kraftwerke die Gefahr eines Stromausfalls steigen soll. In erster Näherung stimmt das natürlich nicht, denn je mehr Kraftwerke, um so mehr Versorgungssicherheit. Allerdings ist die Sache etwas komplizierter
Der Strommarkt
Abbildung 1: Die Merit-Order Kurve, Je größer die Nachfrage, um so höher der Preis.
Doch irgendwann kann die Nachfrage die Kapazität übertreffen, dann kommt es zu einem Stromausfall. |
Nachfrage
Abbildung 2. Die Nachfragekurve, je höher der Preis, um so geringer wird die Nachfrage. |
Ein funktionierender Markt arbeitet mit der Nachfragekurve, Abbildung 2, das bedeutet, je niedriger der Preis, um so höher die Nachfrage. Hohe Preise reduzieren die Nachfrage. Da im Strommarkt praktisch kein Kunde den aktuellen Börsenpreis zahlen muss, entsteht ein Problem. Selbst wenn der Preis an der Strombörse stark ansteigt, wird keiner seine Klimaanlage oder Aluminiumschmelze etwas herunterfahren, da er kein Marktsignal empfängt.
Damit ist aber die Gefahr vorhanden, dass plötzlich mehr Strom verbraucht wird, als Kapazität vorhanden ist, insbesondere, wenn bestimmte Kapazitäten, wie Wind und Sonne, nicht verfügbar sind. Dies führt zu einem Stromausfall, den keiner will.
Lösungsmöglichkeiten
Die einfachste Lösung ist, der Staat schreibt vor, wie viele Kraftwerke vorhanden sein müssen und zahlt dafür einen festen Betrag, das ist ein sogenannter Kapazitätsmarkt. Diese Lösung ist für Stromkonzerne sehr attraktiv, da diese immer noch riesige Kraftwerke besitzen, die aufgrund der Solar- und Windkraftwerke immer häufiger abgeschaltet bleiben und damit keine Einnahmen erwirtschaften.
Nachteil dieser Lösung ist, dass der Staat immer sehr schlecht ist den Bedarf richtig zu ermitteln, wir erinnern uns an Milchseen in der EU und an die Autoproduktion in der DDR. Der Grund liegt zumeist an Interessen, so wird die lobbystarke Stromwirtschaft eher etwas zu viel Kapazitätsbedarf prognostizieren.
Alternative: Echter Markt
Das wichtigste ist, dass in einem Markt der Käufer die tatsächlichen Kosten zahlt, in diesem Fall den Preis des Stroms wie er gerade an der Börse gehandelt wird. Daher wären flexible Stromtarife, die den aktuellen Marktpreis einrechnen sinnvoll. An vielen Stellen könnte dann der Strombedarf etwas gesenkt werden, wenn die Produktion wirklich an die Kapazitätsgrenze kommt. Das wird auch in Zukunft eher selten sein, aber im Grenzfall sehr wirksam und zudem ein guter Schutz gegen Stromausfälle [2].
Versicherungslösung
Eine weitere Lösung wäre eine Art Versicherung gegen Stromausfall. Schon heute gibt es viele Dienstleistungen, die nicht 100% funktionieren, so steht im Vertrag der Telekom nur eine 97% Verfügbarkeit, wer mehr will zahlt etwas mehr. Kunden die eine hohe Verfügbarkeit benötigen zahlen dann etwas mehr, vielleicht 5%, und haben dann 99,9% Liefersicherheit für Strom. Diese Versicherungen würden sehr schnell beginnen, Speicher für Strom anzulegen, da es jetzt sehr lohnend ist, immer Strom zu liefern.
Staat oder Markt
Ich will kein abschließendes Urteil abgeben, aber meine Erfahrung ist bisher immer gewesen, dass der Staat oder eine Regulierungsbehörde nicht besonders gut den Bedarf eingeschätzt haben. So hat etwa die Bundes-Post Anfang der 1990er Jahre den Handybedarf auf 100.000 Handys in Deutschland eingeschätzt. Welche ein Irrtum.
Die Vorhersagen für Solarenergie und Windkraft sind vergleichbar schlecht, wie die Diskussion um die Sätze des EEG zeigen. Ich hoffe, bei der Weiterentwicklung des Stromnetzes wird mehr auf Markt als auf Plan gesetzt.
Eine weitere Alternative ist ein linearer Strommarkt.
Merkwürdig sind die paradoxen Marktsignale.
Eine weitere Alternative ist ein linearer Strommarkt.
Merkwürdig sind die paradoxen Marktsignale.
Quellen:
[1] Tietjen, Oliver, Kapazitätsmärkte, Germanwatch, April 2012
[2] Siegmeier, Jan, Kapazitätsinstrumente in einem von erneuerbaren Energien geprägten Stromsystem, Electricity Markets Working Papers WP-EM-45, Juli 2011
Das ist eine interessante und wichtige Diskussion und die von Ihnen aufgezeigten Lösungsmöglichkeiten sind Elemente, die schon heute in begrenztem Umfang angewendet werden. Beispiel Versicherungslösung: Unternehmen, die eine absolut zuverlässige und unterbrechungsfreie Stromversorgung benötigen (Rechenzentren, Kliniken, Halbleiterindustrie) sorgen selbst dafür, indem USV und Notstromaggregate installiert werden. Für diese ist 99,9% noch nicht gute genug.
AntwortenLöschenPreissignale: Mein Stromversorger bietet einen elektronischen Zähler an und einen Tarif mit zwei Strompreisen. Der Haupttarif gilt Wochentags von 08:00-20:00 Uhr und der Nebentarif gilt von 20:00-Uhr-08:00 Wochentags und am ganzen Wochenende. Im Nebentarif ist der Strompreis pro kWh 2,64 ct (brutto preis) billiger. Dieses Preissignal nutzen wir für Waschmaschine, Wäschetrockner, Geschirrspüler. Für alles andere ist das Preissignal ohne Effekt -> die Wirkung ist begrenzt. Die Hölle wäre ein Strompreis der sich z.B. alle 15 Minuten ändert wie gerade an den Tankstellen.
Evtl. wäre ein Preis, der den Lastgang des Stromnetzes nachbildet sinnvoll.
Evtl. ist eine schlaue Kombination möglich in dem der Normalfall mit Preissignalen arbeitet und die nötigen Reservekapazitäten/Speicher Kosten sollten auf alle Verbraucher anhand dem Stromverbrauch oder der Anschlußleistung umgelegt werden (Analogie im Internet, die Anschlußbandbreite. Die Redundanz für 1GBit kostet halt mehr als für einen 2 Mbit Leitung)
An ihrer Tarifverteilung können Sie sehen, wie weit er von der Wirklichkeit entfernt ist. Gerade am Mittag ist mittlerweile so viel Solarstrom vorhanden, das der Preis an der Börse den Nachtpreisen entspricht. Ich habe diesen Tarif für uns auch überlegt, bin aber nicht bereit für 10 Euro Einsparung im Jahr 50 Euro Umrüstkosten zu bezahlen. Die Endkundenpreisen hängen von Steuern und Umlagen ab. Mit den Kosten der Stromerzeugung haben sie rein gar nichts zu tun. Deshalb funktioniert der Markt auch nicht.
AntwortenLöschenVerschärft wird das ganze noch durch den Trend von Industrieunternehmen ihren Strom durch PV-Anlagen selbst zu erzeugen. Dadurch sinkt dei Abnahmemenge von den EVU drastisch, fällt die Sonne weg, muss plötzlich die gleiche Menge wie früher produziert werden. Die EVU kommen immer mehr in eine Rolle eines Ausputzers.
Die Strompreise nach der Börse zu richten ist der einzig richtige Weg. Im Nu haben alle Wärmepumpenbesitzer eine App die die Wärmespeicher vollmacht. Das wäre auch endlich eine sinnvolle Anwendung für die Hausautomation.
Im Nu würden sich Stromspeicher lohnen und die Entwicklung von neuen, besseren. Das wäre ein gutes und einfaches Gesetz!
Wir haben ca. 60% des Stromverbrauches im Nebentarif und 40% im Haupttarif. Das bedeutet in meinem Fall etwa 100€ niedrigere Kosten pro Jahr. Bei uns hat sich die Umrüstung also schon gelohnt.
LöschenWenn man die verlinkten Dokumente im Blogeintrag liest, erkennt man wie komplex das Thema ist. Und am "Erfolg" des EEG erkennt man wie schnell man unerwünschte Effekte erhält, weil man bestimmte Dinge nicht voraussehen kann (Preisentwicklung PV).
Die wesentliche Voraussetzung für eine vernünftige Netz-Steuerung ist eine verlässliche Datenbasis. Das gilt für den Verbrauch, Lastgangverhalten, Verhalten bei Systemstörungen (Kraftwerk, Leitungsausfall usw.). Ob da der Börsenpreis als einziges Steuerinstrument ausreicht, wage ich mal zu bezweifeln.
Ein schönes Beispiel ist das Ladenetzwerk der Fa. Better Place. Die stehen in Verbindung mit den Energieversorgern und steuern die Aufladung der Elektrofahrzeuge die an den Ladepunkten angeschlossen sind zentral, so dass die verfügbare Kapazität ausgenutzt werden kann und es zu keiner Überlast im Stromnetz kommt und trotzdem die Aufladung der Batterien möglichst gut an die Nutzeranforderungen angepasst ist. Dort wo solche zentralen Steuermöglichkeiten bestehen sollten die Energieversorger etwas tun.