Sylter Runde Energie
Energie ist die
entscheidende physikalische Größe, die es erlaubt, Ordnung in die Welt zu
bringen.
Mit der Fähigkeit,
gespeicherte Energie in Form des Feuers aktiv für eigene Zwecke zu nutzen, hat
die Menschheit praktisch unbegrenzte Fähigkeiten für die Organisation der Welt
gewonnen. Dieser mythologisch mit Prometheus verbundene Vorgang ist einmalig,
und wir stehen möglicherweise am Ende einer Jahrtausende währenden Entwicklung.
Gespeicherte
Energie ist eine Rarität und ist daher schnell konsumiert, jedoch schwer wieder zu gewinnen, da einmal
verbrauchte Energie nicht, wie bei Metallen üblich, recycelt werden kann. Daher
werden die Prognosen von Meadows über die Grenzen des Wachstums auch zuerst an
den endlichen Vorräten gespeicherter Energie in Form von Öl, Gas und Kohle
sichtbar. Zudem ist die CO2-Müllhalde Atmosphäre endlich und droht
unter dem hohen CO2-Anteil, gefährliche Veränderungen des
Strahlungshaushalts zu verursachen, die eine unkontrollierbare Veränderung der
Temperatur der Biosphäre bedeutet. Daher wird es zwingend zu einer
Entcarbonisierung der Energieproduktion kommen.
Die Alternativen
bei der Energieerzeugung sind überschaubar, es kann die in Uran und Thorium
gespeicherte Kernenergie mit geeigneten Reaktoren in Strom umgewandelt werden.
Dieser Weg verursacht verschiedene Probleme, die unsere Gesellschaft in
Deutschland nicht tragen will. Letztendlich ist aber auch die Nutzung der
Kernenergie aufgrund der endlichen Ressourcen nicht beliebig lange möglich, da
innerhalb einiger Generationen auch diese Speicher erschöpft sind.
Verbleibt als
einzige dauerhafte Energiequelle die Sonne, deren Strahlkraft für die nächsten
Äonen gesichert erscheint. Sonnenenergie ist zwar scheinbar kostenlos, die
Umwandlung in nutzbringenden Strom erfordert aber erhebliche Investitionen, unabhängig
davon, ob man eine direkte Umwandlung in Solarzellen, in konzentrierenden
Solarkraftwerken oder eine indirekte in Form von Wind- oder Wasserkraftwerken
anstrebt. Wobei letztere inzwischen weitgehend alle verfügbaren Gefälle nutzen.
Da die
Strahlungsleistung der Sonne, die auf die Erde fällt, um etwa den Faktor 10.000
größer als der Energiebedarf unserer heutigen Zivilisation ist, kann von
Energieknappheit im weiterem nicht gesprochen werden. Allerdings gibt es zwei
neuartige Engpässe. Zum einem sind die Flächen und Investitionen, die für die
Umwandlung der Energie benötigt werden nicht beliebig vorhanden, mithin besteht
also ein einfaches wirtschaftliches Knappheitsproblem, das letztendlich über
den Preis gemanagt werden kann. So ist es gelungen, dass bereits heute 20% der
elektrischen Energie in Deutschland aus erneuerbaren Quellen stammen. Eine
Verfünffachung erscheint in den nächsten zwanzig Jahren auch unter
pessimistischen Annahmen nicht unmöglich.
Wesentlich
schwieriger ist das Problem der fluktuierenden Quellen. Sowohl Wind als auch
Sonne und im geringerem Maße Wasser, sind schwankende Energiequellen, die sich
nicht an den Bedarf der Gesellschaft anpassen. Daher kann sich entweder die
Gesellschaft an den Bedarf anpassen, was heute unter dem merkwürdigen Begriff
„smart Grid“ propagiert wird, oder die Energie wird gespeichert.
Das Speichern von
Strom ist allerdings eine äußerst schwierige Angelegenheit. Letztendlich
gelingt es großtechnisch nur in Pumpspeicherwerken, in denen Wasser von einem
tieferen Niveau mittels überschüssiger elektrischer Energie auf ein höheres Niveau
angehoben wird. Bei Bedarf treibt das herabstürzende Wasser eine Turbine mit
Generator für die Stromerzeugung an. Der
Wirkungsgrad von 80% ist dabei so gut und die Investitionen sind so gering
gewesen, dass dieses Verfahren heute eingesetzt wird, um kommerziell Arbitragegewinne
aus dem geeigneten Betrieb solcher Anlagen einzufahren.
Betrachtet man
die gespeicherten Energiemengen, sieht man allerdings sofort das Problem. Alle
Speicherkraftwerke in Deutschland, die im Verlauf von 80 Jahren gebaut wurden,
können gerade einmal 30 Minuten das Land mit Strom versorgen. Aus präzisen
Analysen und Simulationsrechnungen wird der Speicherbedarf für eine vollständig
auf erneuerbare Quellen basierende Stromversorgung auf sieben Tage geschätzt.
Das ist das 280-fache der bisherigen Speicherkapazität oder in anderen
Worten, die Speicherkapazität muss
innerhalb von wenigen Jahren um 28.000% gesteigert werden.
Dies ist
offensichtlich nicht mit Pumpspeicherkraftwerken innerhalb der Landesgrenzen
möglich. Daher könnte eine Alternative die Speicherung in Norwegen sein. Ein
Land, das aufgrund seiner günstigen Orographie mehrere Tagesladungen deutscher
Stromversorgung speichern könnte. Dabei sind erhebliche Investitionen in
Fernleitungen zu tätigen, die aber prinzipiell nicht unmöglich sind. Eine
andere Frage ist die politische Abhängigkeit von einem Land als Speichereigner.
Eine besondere
Form des Pumpspeichers ist der Lageenergiespeicher, der mit Wasserdruck einen
sehr großen Felszylinder anhebt, der mit bergmännischen Verfahren aus der
Umgebung abgelöst wurde. Dieses Verfahren hat den Charme, dass die
Speicherkapazität mit der vierten Potenz des Systemradius wächst, während die
Baukosten, die im Wesentlichen durch die Freilegung der Oberfläche bestimmt
sind, nur mit der zweiten Potenz wachsen. Damit sind theoretisch beliebig
preiswerte Speicher möglich.
Chemische
Verfahren der Energiespeicherung skalieren nur bei der Umwandlung in
Wasserstoff, da Wasser praktisch unbegrenzt vorhanden ist. Die Speicherung
großer Wasserstoffmengen bereitet aber durchaus Probleme, weshalb die weitere
Umwandlung in Methan vorgeschlagen wurde. Aus diesem Methan kann letztendlich
wieder Strom über Gasturbinen gewonnen werden. Bei dieser langen Kette der
Umwandlung bleibt allerdings nur ein Drittel der ursprünglich eingesetzten
elektrischen Energie übrig, das entspricht einen Wirkungsgrad von 33%.
Andere Konzepte
sehen die Nutzung von Biomasse in Zeiten zu geringer Energielieferung vor,
dabei ist jedoch die Biomasse wesentlich ökonomischer für zukünftige Konzepte
des Verkehrs geeignet. So ist der Luftverkehr praktisch zwingend auf kohlenstoffhaltige
Speicher, heute Kerosin, angewiesen. Der Gütertransport benötigt Diesel,
zukünftig wohl Biodiesel, die Schifffahrt ist ebenfalls auf solche Treibstoffe
angewiesen.
Generell ist der
Verzicht auf ein Speicherkonzept sehr unökonomisch, da große Energiemengen sowohl
bei Wind als auch bei Sonne nicht direkt verbracht werden können, wenn diese im
Überfluss anfallen. Eine generelle Entschärfung des Problems stellt die
Verbesserung des Stromnetzes dar. Bei einem hypothetischen Netz, das den
gesamten europäischen Kontinent optimal überspannen würde, werden nur noch
zwei, statt sieben, Tagesladungen Speicherkapazität benötigt. Die Rechnung mit
sieben Tagesladungen geht, das sei angemerkt, von einem perfekten Stromnetz in
Deutschland aus, das in dieser Form noch keineswegs existiert.
Die Entwicklung
des Stromverbrauchs wird von verschiedenen Quellen unterschiedlich angesetzt.
Dabei geht man in allen Szenarien von einer energetischen Optimierung der
stromverbrauchenden Systeme aus. Ein Trend, der praktisch seit fünfzig Jahre
anhält, genauso, wie die ständige Elektrifizierung aller Systeme, die der
Verbrauchsminderung entgegenläuft. In der Summe ist der Stromverbrach in
Deutschland daher seit fast 40 Jahren annähernd konstant und es ist keine
gewagte Prognose, dies für die nächsten 40 Jahre genauso anzunehmen. Am Rande
sei hier bemerkt, dass es kein Land auf der Erde gibt, das mit weniger als 5.000
kWh Stromverbrauch pro Einwohner und Jahr eine durchschnittliche Lebenserwartung
von über 80 Jahren seinen Einwohnern bieten kann!
Die
Bundesrepublik hat als führende Industrienation eine hochgradig von der
Stromversorgung abhängige Industrie- und Gewerbestruktur. Aufgrund der
bisherigen Zuverlässigkeit der Stromversorgung, die auf gespeicherter Energie
basiert, ist noch kein Bewusstsein für die kommende Problematik eines
schwankenden Angebots vorhanden. Es gibt eine Energiebörse, die EEX in Leipzig,
die eine sehr hohe Transparenz bietet, wie das aktuelle Angebot ist, aber auch
dort werden nur aktuelle Strommengen verteilt und nicht zukünftige Situationen,
die erst in zehn oder zwanzig Jahren auftauchen, gehandelt.
Damit liegt ein
„terra inkognita“ der Stromversorgung vor uns. Welche Pfade sicher und
wirtschaftlich ans Ziel führen sollte man frühzeitig analysieren. Geeignete
Entscheidungen müssen im Konsens mit der Bevölkerung gefunden werden, die zwar
sehr streng ist was die richtige oder vermeintliche Schonung der Welt betrifft,
die aber auch erstaunlich offen für neue Entwicklung und daraus entstehende
Kosten ist, man denke nur an das EEG.
Das Memorandum der Sylter Runde zum Thema Energie ist online.
Das Memorandum der Sylter Runde zum Thema Energie ist online.
Autor: EduardHeindl
Zitat:
AntwortenLöschenAm Rande sei hier bemerkt, dass es kein Land auf der Erde gibt, das mit weniger als 5.000 kWh Stromverbrauch pro Einwohner und Jahr eine durchschnittliche Lebenserwartung von über 80 Jahren seinen Einwohnern bieten kann!
Doch. Fast. 78.77 Jahre. Kuba:
http://www.google.de/publicdata/explore?ds=d5bncppjof8f9_&met_y=sp_dyn_le00_in&idim=country:CUB&dl=de&hl=de&q=lebenserwartung+kuba
Stromverbrauch 1320 kWh (gleiche Quelle):
http://www.google.de/publicdata/explore?ds=d5bncppjof8f9_&met_y=eg_use_elec_kh_pc&idim=country:CUB&dl=de&hl=de&q=stromverbrauch+kuba
Mit etwas entschlossener "Gleichmacherei" (Egalitarismus) geht das schon. Allerdings mit weniger Komfort.